Grübeleien eines Hörspiel(er)vaters, oder: Zwergie knows best!

Für mich ist das Medium Hörspiel ein Mittel zum Zweck. Der Zweck besteht darin mich zu unterhalten und vom Alltagsgeschehen weg zu bewegen – Weltenflucht, wenn man so will. Zur Familie der Weltenfluchtermöglicher zähle ich ebenfalls, für mich persönlich, Film, TV und Comic. Negative Erfahrungen im Umgang mit Fans der diversen Gattungen hatte ich bisher nur im Hörspielbereich, aber das ist hier nicht Thema – ausnahmsweise.

screamy2010 zog jemand bei uns ein, den ich im Laufe dieser Laberei nur als „Zwergie“ bezeichnen möchte, da nicht öffentlich bekannt werden darf, das er bei uns in anonymer Unterbringung ist um seine Eltern – von denen er misshandelt und missbraucht wurde – von ihm fern zu halten.

Zwergie ist jetzt neun Jahre alt und geistig auf dem Stand eines fünf- bis sechsjährigen Kindes. Die genaueren Umstände seiner geistigen und körperlichen Behinderung tun hier nichts zu Sache.

Als Zwergie zu uns kam konnte er kaum laufen, sprach nur 5 Worte und auch ansonsten war sein Verhalten eher aggressiv, als das er bereit gewesen wäre sich am normalen Tagesablauf zu beteiligen.

Nach geraumer Zeit begann er uns Mama und Papa zu nennen und die ersten Bemühungen mich nachzuahmen bestanden darin sich Comics anzuschaffen und Wert darauf zu legen jeden Abend zum einschlafen ein Hörspiel zu hören.

Was bietet man einem solchen Kind denn nun an, ohne es mental zu überfordern?

Altersentsprechend sollte es nicht sein, denn das würde er nicht nachvollziehen können. Zu babymäßig sollte es auch nicht sein, denn Zwergie mag zwar behindert sein, legt aber Wert darauf wie ein „normales“ Kind behandelt zu werden.Ich-Liebe-Eine-Tigerente

Es begann also mit der Lesung „Ich liebe eine Tigerente!“. Zwergie liebte Sky Du Monts Stimme sofort und auch wenn uns die dort erzählten Darstellungen von Gewalt und Ignoranz nicht in den Kram passten – er verschlang es, sogar mehrfach hintereinander. Er liebt diese CD immer noch und sie wird an stressigen Tagen von ihm gerne gehört um sich ein wohliges Nachtgefühl zu verschaffen.

toeroeDoch Zwergie wollte und will sich weiter entwickeln, also musste die nächste Stufe aus Hörspielen bestehen. So sehr ich es auch bedauert habe, aber ich MUSSTE ihn in Kontakt mit dem blauen Nervtöterelefanten bringen. Schnell schloss Zwergie mit ihm Freundschaft und es tönte Tag und Nacht TÖRÖÖÖÖ aus dem Kinderzimmer.

Doch auch diese Phase endete und es musste weiter gehen. Nächster Halt LEGO CHIMA und LEGO NINJAGO. Auch PLAYMOS und LEGO CITY fanden recht schnell seinen Gefallen.

Doch erstaunlicherweise vernachlässigte er BENJAMIN BLÜMCHEN und auch die TIGERENTE nach wie vor nicht. siggischatz

Besonders angetan hat es ihm die Serie SIGGI BLITZ, welche ihm komplett von „Siggis Mutter“ – nämlich der Schauspielerin Juliane Ahlemeier, welche Zwergies Schicksal ausführlicher kennt – geschenkt wurde.

SIGGI ist Zwergies Held, auch wenn SIGGI noch in den Kindergarten geht und Zwergie mittlerweile in der Schule ist. Juliane hatte den richtigen Riecher und Zwergie einen Helden zum „anfassen“, wofür wir Jule auch heute noch dankbar sind.

Wieso schildere ich das hier überhaupt? Ganz einfach!

Zwergie nutzt das Medium Hörspiel, ebenso wie ich, zwecks Ablenkung und Unterhaltung – doch erreichte das Medium mehr bei ihm als ich gedacht hatte: Das Medium Hörspiel half, und hilft immer noch, einem geistig behinderten Kind Sprache als positives Kommunikationsmittel zu entdecken, zu nutzen und zu verbessern.

Zwergie versteht es nicht, das es Menschen gibt die sich gegenseitig wegen einem Medium verbal bekriegen, denn er empfindet es als positiv und vereinnahmt die schönen Dinge des Mediums für sich in vollen Zügen. Keine Vorurteile – außer bei ???, denn die sind ihm zu „Öde, Papa, das is soooo langweilig und für Babys!“ – belasten seine Verbindung zum Medium. Keine Sinnkrisen von Kassettenkindern und Hörspielern können seinen Spaß am hören schmälern. Für ihn sind die Begleiter seiner „Kindheit“ – „Das hab ich gehört wo ich klein war!“ – auch heute noch präsent und aktuell – auch wenn ich das nun wiederum nicht nachvollziehen kann.

siggifeuerwehrWir ziehen hier einen Hörspieler (was für eine selten dämliche Bezeichnung) groß, welcher – auch wenn er durch seine körperliche Behinderung nur eine relativ kurze Lebensspanne haben wird – sich mit allem was er hat auf etwas einlassen kann, das ihm Spaß macht und nicht wie sein „Pappo“ jedem dummen Gewäsch auf den Leim geht und sich den Spaß an der Freude dadurch vermiesen lässt.

Gebt den Kindern das Kommando… was Grönemeyer schon so dadaistisch in Mikrophon quälte, erweist sich teilweise als größere Wahrheit, auch wenn wir Alten es nicht mehr beherzigen können oder wollen.

Von Zwergie kann man lernen, wenn man will.

Thank you for reading! 😉

Thomas Rippert
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