01 – Kind des Pestschiffes

Arwinger-01Als Sohn eines Henkers im Schleswig des 15. Jh. ist der Lebensweg Johann Torns vorgezeichnet. Doch nach dem Tod seines Vaters entschließt er sich, dieser Bestimmung zu entfliehen. Als einziger Überlebender eines Pestschiffs landet er schließlich in den Händen von Piraten.

TrennstrichIn dem Moment, in dem man denkt man habe schon alles an Hörspielmöglichkeiten gehört, wird man erstaunlicherweise doch noch eines besseren belehrt.

Sicherlich mag es genügend Hörspiele geben, welche sich mit der Thematik von Piraten beschäftigen. Das mag auch für die deutschen Piratenzunft des mittelalterlichen hohen Nordens gelten. Doch ist mir zu letzterem noch kein Hörspiel unter die Ohren gekommen, welches nicht zu klassisch oder zu radiolastig in der Inszenierung gewesen wäre.

Das neue Hörspiellabel Asgard, welches sinnigerweise auch in Hamburg ansässig ist, geht mit der fünfteiligen Hörspielserie „Die Arwinger“ für mich neue Ohrwege.

„Die Arwinger“ beschreibt die Geschichte eines deutschen Piraten, welche man aus der Erzählersicht heraus – und somit als Zuhörer vollkommen ins Geschehen mit eingebunden – präsentiert bekommt. Mit einem netten Kniff schafft es der Autor der Geschichte, Erik Fehlbaum, von Beginn an eine Verbindung zwischen dem Erzähler und dem Zuhörer aufzubauen und alles, auch wenn die Umgebung eher negativ angelegt ist, leichtfüßig unterhaltend zu gestalten.

Um auch direkt zum spannenderen Teil der Geschichte zu kommen – und sich nicht in zu viel erklärendem Vorgeplänkel zu verlieren – dient dieser Kniff als Träger der Inszenierung. In einem Folterkeller wird der Pirat „Johann Torn“ einer Befragung durch den Stadtrat unterzogen, welche eher reine Alibifunktion hat. Der Stadtrat will einfach nur einen Piraten als Schauspiel für das Volk exekutieren, doch der Richter will mehr wissen. Mit einem „Ich kenne eine Leiche in deinem Keller, Stadtrat!“-Argument schafft es der Richter dem Kerkermeister doch noch seinen Spaß zu verschaffen und Johann Torn wirklich verhören zu lassen. Während dieses Verhörs sichert Johann dem Kerkermeister zu, ihm alles zu erzählen, so er ihn denn nicht foltern würde.

Dies gefällt dem Kerkermeister jedoch nicht und er versucht dennoch ein wenig Folter am Piraten anzubringen. Dies geschieht jedoch in einer schon fast comedyhaften Weise, welche zwar amüsant ist, jedoch niemals wirklich als Comedy daher kommt. Erstaunlicherweise ist die Mischung aus tatsächlicher Folter und der Eindämmung der brutaleren Ereignisse so gekonnt, das man perfekt die Erzählung der Geschichte weiter treiben kann, ohne das der Gefolterte nicht mehr in der Lage wäre sie zu erzählen.

Dieses Erzählen geschieht so packend und bildhaft, das man sich der Faszination dieser eigentlich gar nicht so ungewöhnlichen Geschichte – für damalige Verhältnisse – nicht entziehen kann und will. Die Spielzeit ist im Nu verflogen und man fragt sich wieso nicht alle fünf Folgen auf einmal veröffentlicht wurden, weil man weiter an der Story dran blieben möchte.

Erik Fehlbaum gelingt es auch die ganze Erzählung in einer sehr angenehmen und trotzdem mittelalterlich anmutenden Sprache zu halten, ohne das die ganze Sache zu künstlich und aufgesetzt daher kommen würde.

Dies ist sicher auch zum Großteil den Sprechern mit auf die Flagge zu schreiben. Martin Sabel verfügt ohnehin über ein sehr edel anmutendes Timbre, welches dem Piraten mit der unbekannten Vergangenheit sehr gut zu Stimme steht. Man vermutet hinter der Wortwahl mehr als „niederes Volk“ und ich denke das sich dies auch als gegeben herausstellen wird.

Neben Martin Sabel sind eine große Menge an mir unbekannten Namen vertreten, welche aber alle Profis zu sein scheinen. Die Piraten haben fast alle, bis auf den „Blutsäufer“, eine angenehme Stimmlage verpasst bekommen und wirken so eher freundlich und angenehm, als das man sie als reißende Mordbestien wahrnehmen könnte. Auch hat man den nordischen Akzent auf ein Minimum reduziert und nur Broder Zimmermann, als „Olaf Krummhals“, hanseatelt ein wenig herum – was aber keineswegs wie „Kuddel vom Kutter“ wirkt, sondern auch sehr angenehm ist.

Besonders bemerkenswert fand ich den Umstand das die „Fettleiber“, also der Stadrat und ein Händler, alle sehr weiche und fast schon falsettartige Stimmen verpasst bekommen haben. Somit kann man alleine schon an der Akustik unterscheiden, wer woher kommt, wer ein hartes Leben mitgemacht hat und wer eher am Rockzipfel des Geldtums genährt worden ist.

Die Musik ist ebenfalls ein weiterer großer Pluspunkt der Arwinger. Regisseur und Musiker in Personalunion, Michael Reffi, verschafft der Geschichte mittelalterliches Flair, welches jedoch Neuzeitlich umgesetzt wurde. Keine knurrenden Gesänge oder punkartigen Versätze verwässern den Sound der scheinbar uralten Instrumente, wenn sie die Handlung begleiten.

Der erste Part des Fünfteilers setzt die Marke schon in astronomischer Qualitätshöhe an, was die komplette Inszenierung betrifft. Da ich davon ausgehe, das alles im Vorfeld aus einem Guss vorbereitet wurde, hoffe ich, das die Qualität so bleibt. Doch selbst wenn sie ein wenig sinken sollte, so wäre dies immer noch eine Hörempfehlung wert…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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