Kreise – Johannes Oerding (2017, Columbia D, Sony Music)

Oh mein Gott, geh mir doch weg mit deutschsprachiger Musik…

Deutschsprachige Musik habe ich bisher nur, engstirnig wie ich manchmal bin, nur mit Seierlappen wie PUR, kaum verständlichen Brüllbarden wie Grönemeier oder angehalfterten Typen wie Westernhagen verbunden.

Klar, es gibt da Ausnahmen, welche ich auch gerne gehört habe und die nicht in das Raster „Deutschpop ist Arsch“ fielen. Frida Gold, Juli oder Silbermond – damit hatte es sich dann aber auch.

„Ohha, jetzt schwallt der auch schon über Musik. Ist dem nichts heilig?“ – Doch, ist mir, aber warum nicht? Mucke is Multimedia, also auch Blah-Blog-Material!

Nun verändert sich ja das Leben irgendwie andauern und auch meins macht da keine Ausnahme. So ergab es sich dann, dass meine neue Liebe nicht nur ebenfalls auf Nickelback steht, sondern auch deutschen Pop hört. Zuerst war bei mir da Ablehnung, dann Interesse und jetzt bin ich Feuer und Flamme.

Soweit zur subjektiven Vorgeschichte. Hey das hier ist eine private Blogseite und ich darf das! 😊

Vor ein paar Tagen kam zuhause die Frage „Kennst Du Johannes Oerding?“. Antwort: „Neuer Tatort Kommissar?“… „Nein, Musiker, und auch ein Guter!“.

Mein erster Gedanke war „Wer so heißt macht sicher einen auf männliche Helene Fischer *würg*!“. Doch da sollte ich dann die musikalische Klatsche meines Lebens kassieren. Bereits beim Opener „Kreise“ packte mich die Musik und nachdem ich die Scheibe das erste Mal komplett durchhatte pflanzte ich mir die Kopfhörer auf um zu hören ob der Mann auch etwas zu sagen hatte. Hat er!

Oerdings Musik ist keine Offenbarung oder gar sozialkritischer Gesellschaftpop. Er bietet einfach Feelgood-Mucke der anspruchsvollen Art. Scheinbar kam diese Scheibe mit ihren Texten zur richtigen Zeit denn fast jedes Lied könnte ich selbst textlich verfasst haben.

In „Tetris“ erkannte ich die Bemühungen, welche man stets auf sich nimmt wenn man neu anfängt und die Steine im Weg irgendwie in die passende Form gebracht werden müssen.

Mit „Hundert Leben“ erzählte er mir nochmal, dass jeder Teil des Lebens gut war, zu der Zeit in der er stattfand. „Hier weg zu gehen war richtig, aber hart!“.

„Leuchtschrift“ verinnerlichte mir das jeder Scheißtag irgendwann vorbei geht und man gemeinsam viel durchstehen kann – was manchmal mehr in die Nacht leuchtet als man meinen mag.

Jeder beziehungssuchende Single findet sich in „Love me, Tinder“ (ja, kein Schreibfehler) wieder, denn es kommt meistens anders als geplant und ausgemalt.

Das wir alle irgendwie zusammenleben müssen und dies auch sollten, denn „Unser Himmel ist derselbe!“ und gerade bei „So schön!“ schweift der Blick auf das Wesen ab, welches mir dieses Album nahegebracht hat.

„Kreise“ ist ein Album des Wandels, welches hervorragend in die momentane Weltsituation passt in der sich nicht nur für mich subjektiv eine Menge verändert.

Wer von Johannes Oerding erwartet das er das Rad neu erfindet, der sollte sich direkt das Gehör dieser Scheibe sparen. Oerding liefert einfach einen wirklich angenehmen Soundtrack für die ganzen schönen und unschönen Dinge des Alltags, welche sich zwar zumeist im Kleinen aufhalten und doch das Große beeinflussen können.

Einfühlsame Beats im normalen Tempobereich. Eine Stimme welche sich im Timbre irgendwo zwischen Joe Cocker und Marc Cohn bewegt. Texte die klein sind, aber großes auslösen können was das Gefühlskino anbelangt. Alltägliche Betrachtungen eines nicht wirklich alltäglichen Musikers, welcher scheinbar genau dasselbe erlebt hat wie wir alle irgendwann, irgendwo und auch sonst so.

Für mich ist „Kreise“ bisher DAS Album des Jahres 2017. Ich hätte niemals für möglich gehalten deutschsprachigen Pop zu konsumieren und mich dabei sogar noch gut zu fühlen. Ergo: Es gibt auch gute Dinge außerhalb einer Hirnblutung a´la Helene Fischer.

Also, spiel dein Leben wie Tetris… 😉

Thomas Rippert
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