100 – Träume im Hexenhaus

gka100Arkham, 1927: Der Student Walter Gilman bezieht ein Zimmer in einem sagenumwobenen Haus. Im Hexenwahn des späten 17. Jahrhunderts soll dort angeblich eine der Hexerei bezichtigte Frau namens Keziah Mason gelebt haben, ehe sie spurlos aus ihrer Kerkerzelle verschwand…

TrennstrichHeute wüsste man, das man in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrtausends die Geschichten, welche heute als große Literatur empfunden werden, in den Seiten des Pulp Magazins „Weird Tales“ zu finden waren. Pulp = billiges Papier, auf dem das Magazin gedruckt wurde.

Auch die „Dreams in the Witch House“ von Howard Phillips Lovecraft, konnte man dort erstmals lesen und ich gehe davon aus, das im Juli des Jahres 1933 die Geschichte nicht so verstaubt wirkte wie das 100ste Hörspiel des Gruselkabinetts der Titania Medien.

Seit 2004 veröffentlichen die beiden Nordrhein-Westphalen Marc Gruppe und Stephan Bosenius nun Hörspiele im Mantel der Schauerklassiker-Literatur. Das mag nicht jedem komplett gefallen, wie mir zum Beispiel, doch es sind ein paar gute und zeitgemäße Umsetzungen dabei.

Zwar sind zu oft leidende Leichen und emotional verstümmelte Gruselgestalten die Hauptakteure der Geschichten, doch als man begann sich auch auf die neueren Veröffentlichungen, deren Rechte im Public Domain zu finden sind, besann, hoffte ich auf einen Erneuerung und Renovierung der Serie.

Diese blieb aus und selbst in einer Geschichte von 1933, die im lesen relativ lebendig den Grusel transportieren kann, vermögen es die beiden Hörspielmacher so viel akustischen Staub abzuladen, das man sich des Gefühls nicht erwehren kann, man habe hier die Geschichte des Conte de Schnarch und seiner Geliebten Vampirin Clothilde vor sich.

Selbst der Vermieter der verhexten Dachgeschoss-Bruchbude bedient sich eines Jargons, welcher einem Adeligen zu Munde stünde und redet nicht wie man es von einem herunter gekommenen Hausbesitzer der dreißiger Jahre in den USA erwarten würde.

Den Hauptprotagonisten, den jungen Spund „Walter Gilman“, hat man so jung und kindlich feminin akustisch besetzt, das man zwischendrin meint es handele sich um ein Kindermärchen, Walter Gilman wäre nur zwölf Jahre alt und gleich würde Pinocchio um die Ecke geholzt kommen. Hannes Maurer mag im richtigen Leben älter sein als er klingt, doch schafft er es nicht Gilman realistisch und glaubhaft älter als kurz nach dem Stimmbruch agieren und wirken zu lassen.

Dem zum Gegensatz findet man den fast neunzig Jahre alten Schauspieler Horst Naumann, dessen Darbietung wie eine Qual klingt der er sich sicher gerne ausgesetzt hat, welche mir jedoch die ersten Minuten des Hörspiels bereits zum „Grusel“ machten – wenn auch nicht aus schauerlichen Gründen.

Gegensätze sollen sich ja bekannterweise anziehen – diese hier nicht.

Stets erfinden die Titanier etwas zu den Geschichten von Lovecraft oder Robert Erwin Howard hinzu und verändern die Protagonisten nicht unbeträchtlich. Da werden Quotenfrauen hinzu erfunden und ganze Erzählebenen einfach so hinzugefügt um dem Hörspiel eine längere Laufzeit zu geben, als es die Kurzgeschichte ermöglichen würde. An sich ein positiver Aspekt, wären da nicht die so entstehenden Längen, welcher der Originalvorlage nicht gut tun.

Die Inszenierung an sich ist wie seit 2004 auf gewohnt hohem Niveau, wirkt aber nicht bedrohlich oder gar gruselig. Die Musikstücke könnten auch Anne aus Green Gables lustig tollen über de Blumenwiese begleiten, statt die Geschichte einer Zeit- und Raumgefüge verändernden Hexe zu untermalen.

Nach fast fünfzehn Jahren Dienstzeit richten sich die Titanier nach dem aus, was sie bisher verkaufen konnten und so hört sich die einhundertste Episode fast genau so an wie der erste Ausflug in die Schauergeschichten längst verstaubten und mittlerweile lizenzfreien Literaturzeiten des vergangenen.

Ein wenig modernere Tapeten und ein größerer Bezug zu den Geschichten an sich – gerade bei denen die einmal NICHT 1234 bis 1756 spielen – würde der ganzen Sache gut zu Gesicht stehen und sicher mehr Hörspaß machen, als die letzten Folgen zusammen.

Wie dies mit einer Geschichte von Lovecraft geht? Ganz einfach: Man nehme ein wenig Retro, packe eine Prise Humor hinzu und dann höre man sich die Hörspiele des „Dark Adventure Radio Theatre“ der H.P. Lovecraft Historical Society an, denn die wissen wie es – subjektiv gesehen – richtig und unterhaltend geht. Vielleicht hätte man da vorher einmal in deren „Dreams in the Witch House“-Produktion herein hören sollen – es wäre wohl investierte 11,- € für den Download gewesen.

Die beiliegende DVD der Ausgabe erspare ich mir, da ich kein Freund solcher Goodies bin.

Soundsystem-BLAU

Thomas Rippert
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