01 – Nußknacker und Mausekönig

Hoffmann-01Zu Weihnachten werden Marie und Fritz reich beschenkt. Darunter befindet sich auch ein Nußknacker. Doch die kleine Marie traut ihren Augen nicht – hat sich der Nußknacker nicht gerade bewegt?

TrennstrichDer Schriftsteller E.T.A. Hoffmann erschuf in seinem doch recht bewegten Leben viele Geschichten um phantastische Dinge, jedoch von einem „Schauerklassiker der Spätromantik“ – wie dieses Hörstück eingangs vom „Ansager“ bezeichnet wird – kann bei der 1816 geschriebenen Geschichte um den militärischen Nussknacker nicht wirklich gesprochen werden. Dessen Kampf gegen den fast übermächtig erscheinenden Mausekönig ist und bleibt eine Kindergeschichte, welche sicher als Erste in die Serie aufgenommen wurde, da sie zur kommenden Weihnachtszeit spielt.

Um der ganzen Sache einen Serienanstrich zu verleihen, hat man sich dazu entschieden den Autoren die Geschichten selbst erzählen zu lassen. Dies tut Hoffmann hier für einen Menschen, den es real niemals gegeben hat: seinen angeblichen Freund Johannes Kreisler. Johannes Kreisler, seines Zeichens Kapellmeister, war das Pseudonym unter dem Hoffmann damals Musikkritiken für die „Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung“ verfasste und nicht der „liebe Freund“ im wirklichen Leben, wie er hier dargestellt wird.

Schon die Einführung in die Geschichte gestaltet sich mit viel schwer getragener Sprache, welcher der damaligen – in Hoffmanns Lebenszeit – gleichen soll, dennoch nicht wirklich lebendig wirkt. Und so kommen wir hier bereits zum ersten Scheideweg des Hörspiels, da die Geschichte zu kindlich ist um nur für Erwachsene zu wirken, die Sprache jedoch zu umständlich als das sie Kindern gefallen würde. Auch ist der vollkommen unmotivierte Beginn der Erzählung durch E.T.A. Hoffmann – welcher übrigens vortrefflich von David Nathan gesprochen wird – für seinen Freund Kreisler – welcher mit einem Tannenbaum bewaffnet bei Hoffmann einfällt, ebenfalls gut gespielt von Michael Pan – viel zu aufgesetzt. Dieser Abschnitt wirkte auf mich als habe man sich schon in den ersten 10 Minuten verirrt und wisse nun nicht so recht von der Rahmenhandlung in die Episodenhandlung zu wechseln und benötige deshalb diese geschichtliche Brechstange.

Die Inszenierung der Titelgeschichte hängt leider auch an zu vielen Enden. Viele der Sprecher sind zu hektisch am Werke und die junge Cora Gercke, in der Rolle der Marie Stahlbaum, leistet hier besonderes gute Arbeit. Hektisch rast sie förmlich durch jeden ihrer Sätze und so nimmt sie der späteren Spannung, der Entdeckung der Lebendigwerdung des Nussknackers und dem daraus folgenden Rest, vollkommen jede Atmosphäre und Bedeutung.

Da hier die Berliner Synchronstimmen am Werke sind, wie man am Einsatz von David Nathan, Michael Pan, Uschi Hugo, Peter Groeger und Detlef Bierstedt – und dem Umstand das TonInTon in Berlin beheimatet ist – deutlich entnehmen kann, war es für mich irgendwie klar das Santiago Ziesmer die Rolle des Nussknacker würde übernehmen müssen. Ich hatte keinen Blick in die Sprecherliste geworfen und war nicht überrascht als ich seine Stimme hörte. Leider nervt er in der Rolle des Holzsoldaten ziemlich schnell und das stereotype besetzen einer „kleinen Stimme“ mit Santiago Ziesmer wäre auch nicht zwingend erforderlich gewesen, da die Grundgeschichte einen „dominanteren Nussknacker“ erlaubt hätte, welcher auch eine tiefere Stimme hätte vertragen können. Über den Mausekönig, in der Interpretation von Maren Bormann, lasse ich mich nicht aus.

Die Geräuschkulisse ist recht üppig ausgefallen, doch leider wirkt sie jederzeit sehr kalt und kann nicht das Gefühl vermitteln welches Hoffmanns Geschichte schon beim reinen lesen erzeugen kann. Alles wirkt zu künstlich erzeugt und schafft nicht die Stimmung einer Weihnachtsnacht – oder zumindest der Zeit darum herum. Der Musik ergeht es leider ähnlich. Die begleitenden Stücke der Rahmenhandlung erweisen sich nicht als störend, doch die Verarbeitung von Tschaikowskys Musik ist nicht wirklich als gelungen zu bezeichnen. Die klassische Suite verliert durch die Interpretation auf synthetischen Instrumenten sämtliches Flair und scheint aus einen Blechkonserve zu kommen. Auch hier hat man sich keinen Gefallen mit zu viel Eigeninterpretation getan.

Wo ROMANTRUHE drauf steht ist diesmal nicht wirklich ROMANTRUHE drin. Das Cover erklärt diesem Umstand auch bereits, da Joachim Ottos Verlag auch nur als solcher angegeben wurde – als rein veröffentlichender Verlag. Es scheint als habe er auf diese Produktion keinerlei Einfluss nehmen können, da sie sich in so eklatanter Weise von den bisherigen Produktionen der Audio-Ecke unterscheidet – im negativen Sinn. Positiv ist der Aspekt das sich die ROMANTRUHE vom Action/Grusel-Einerlei lösen zu wollen scheint und auch Produktionen aus zweiter Hand veröffentlicht. Ich bin gute Dinge das dieser Ausrutscher ein Solostück bleiben wird, da Joachim Otto stets auf Qualität bedacht ist und sich auch nicht vor drastischen Veränderungen in den Produktionen scheut.

Schade ist es dennoch allemal, denn diese Geschichte hätte einen besseren Rahmen für eine Vertonung verdient. Die verdreht aufgezwungene Richtung einer Schauergeschichte passt nicht wirklich und die Vernachlässigung der meisten kindlichen Aspekte schadet der Stimmung der Printvorlage enorm.

So startet diese Serie für mich mit den schlechtesten Voraussetzungen und zeigt das man sich nicht auf den Lorbeeren eines gitarrenspielenden Zeitreisekindes ausruhen und berufen kann, denn hier wurde ein Klassiker mit der Brechstange der aufgezwungenen Modernisierung, welche aber altes Flair beinhalten soll – was sich streckenweise selbst ad absurdum führt – mehr schlecht als recht belebt…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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