Die Gruft (F. Paul Wilson, Festa Verlag)

Eigentlich hat Handyman Jack gar keine Zeit, für den Inder Kusum Bakhti eine geraubte Halskette wiederzubeschaffen. Schließlich muss er sich um das Verschwinden der Tante seiner Freundin kümmern, und das ist vielleicht auch die letzte Chance, seine Beziehung zu retten, denn Gia hält nicht viel von einem Mann, der »Dinge in Ordnung bringt« und sich dabei meist außerhalb des Gesetzes bewegt.

Aber dann stellt sich heraus, dass es um viel mehr als nur eine Halskette geht, und plötzlich hat es Jack mit einem jahrhundertealten Fluch und einer Brut höllischer Wesen zu tun, die es auf Gias kleine Tochter abgesehen haben …

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Der Roman „Die Gruft“ (The Tomb), von 1984, ist der erste Band mit Handyman Jack, damals noch „Repairman Jack“ was in der alten deutschen Buchversion vom Goldmann-Verlag dann auch als „Reparateur Jack“ übersetzt wurde, welchem erst 1998 ein zweiter Roman folgte. Ebenfalls ist es der zweite Band des zeit- und charakterübergreifenden „Widersacher-Zyklus“, dessen erster Band, „Das Kastell“ (The Keep) von 1981, auch bereits 1983 verfilmt wurde – deutscher Titel: „Die unheimliche Macht“.

Umso verwunderlicher ist es das F. Paul Wilson, der Autor des „Handyman“, in den nachfolgenden Geschichten die übernatürliche Komponente fast vollständig, zumindest in den mir bekannten Geschichten, weggelassen hat und Jack als eine Art hoch intelligenten Großstadtkämpfer der Gerechtigkeit um- und aufbaute. Gerade der Faktor des Übersinnlichen machte „Die Gruft“ so relativ einzigartig damals und ein Kämpfer gegen diese Wesen, welcher sich nur der normalen Hilfsmittel bediente, war recht selten auf dem Buchmarkt – von den eher trivialen Helden der Heftromane abgesehen.

Gerade in „Die Gruft“ kommt Wilson dem Charakter so nahe wie danach kaum noch. Er führt Jack sehr intensiv ein und lotet auch dessen Gefühlsleben, trotz aller Geheimniskrämerei, recht ausführlich aus.

Die Ausgabe des Festa Verlages wurde von Michael Plogmann neu übersetzt und kann, meiner Meinung nach, gerade durch diesen Punkt eine Menge Boden gut machen. Wer sich also nun davor scheut sich die erneute Auflage eines Klassikers der Horror-Literatur zuzulegen, dem sei angeraten eine Leseprobe zu suchen, in der man deutlich die aktuellere Umsetzung in die deutsche Sprache spürt und in der auch die zweimalige Umarbeitung des Stoffes durch den Autor – also F. Paul Wilson – zum tragen kommt.

Beiden Übersetzungen, welche ich nun gelesen habe, wohnt jedoch ein Punkt in gleichem Maße inne: Die Spannung, mit der Wilson seine Storys aufbaut. Selbst wenn man viele Kämpfer gegen das Übernatürliche schon kennt, so ist Jack dennoch einzigartig und unterscheidet sich von seinen Kollegen. Man mag ihn eventuell auch gerne als Antiheld sehen, doch ist der Bursche durch und durch sympathisch und man würde seine Probleme jederzeit in seine Hände geben um sie zu reparieren.

Nun mag man vielleicht auch noch die Komponente mit einbeziehen das der Roman heutzutage – die Ausgabe von Festa erschien 2012 – bereits 33 Jahre auf dem Buckel hat und somit ins Schubfach „alt“ gehöre, denn der Deutsche braucht ja immer und für alles seine Schubfächer. Dem steht aber immer noch entgegen, das sich „Die Gruft“ nach wie vor spannend liest und es nur wenige Autoren innerhalb dieser 33 Jahre geschafft haben an eine Story dieser Art auch nur im entferntesten heran zu kommen.

Lässt man mal die ganzen technischen Spielereien der Jetztzeit vorne weg, so könnte die Story problemlos im Jahr 2017 angesiedelt sein, denn Wilson verpasst seinen Romanen eine Art der Zeitlosigkeit, wie es nicht einmal jemand vom Kaliber eines Mr. King vermag. Auch ist Wilson kein Wiederholungstäter, wie z.B. ein Mr. Koontz, und so ist jeder Roman des Widersacher-Zyklus für sich vollkommen autark zu lesen, auch wenn er sich in den roten Faden um den „Adversary“ fugenlos einpassen lässt.

Wilsons Charaktere sind selbst heutzutage noch alles andere als stereotyp – sollte jemand dennoch das Gefühl haben, jemanden aus der Story zu kennen, so wird dies mit Sicherheit daran liegen, dass sich andere Autoren bei Wilson bedient haben.

Wilsons Frauen sind keine Scream-Queens, die nur darauf warten vom Hauptprotagonisten gerettet zu werden. Gia, Jacks Liebesinteresse, ist alles andere als das gewohnte Dummchen, welches seinen Loverboy unreflektiert anschmachtet. Die Beziehung zwischen Jack und Gia ist alles andere als mit Rosen unterlegt und der Handyman hat nicht nur mit den übernatürlichen Rakoschi zu kämpfen, sondern auch mit der Möglichkeit seine Geliebte für immer los zu sein, sollte er seine Profession und seinen Lebensstil nicht ändern.

All das und vieles mehr verpackt F. Paul Wilson in einen Spannungsbogen, welchen er bis zur letzten Seite von Jacks erstem Abenteuer teilweise zum zerbersten anspannt, ohne ihn wieder locker zu lassen. Man lernt in aller Ruhe Land und Leute kenne, erlebt die Gründe des Ganzen und kurz darauf prügelt Wilson einem den Atem aus den Lungen, nachdem er es scheinbar für richtig hielt sich die Ereignisse von da an überschlagen zu lassen.

Leseempfehlung für Horrorfans, bedingt für Fans des Thrillers, denn mit Monstern aus Eiern kann nicht jeder Realist etwas anfangen. Spannung pur, auch nach 33 Jahren noch.

Buchinformation

  • Taschenbuch: 464 Seiten
  • Verlag: Festa; Auflage: 1 (28. September 2012)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3865521975
  • ISBN-13: 978-3865521972
  • Originaltitel: The Tomb

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