unendliche Geschichte, Die (Silberfisch / WDR)

Unendliche-Geschichte-WDRPhantásien ist in Gefahr. Das unheimliche Nichts droht alles zu verschlingen. Um das Reich der Kindlichen Kaiserin zu retten, muss Bastian immer tiefer in das Land der Irrlichter, Schlamuffen, Gnomen und Glücksdrachen eindringen, das er in einem geheimnisvollen Buch entdeckt hat. Gemeinsam mit dem jungen Krieger Atréju macht er sich auf die gefährliche Reise zum Elfenbeinturm und gerät in einen Strudel grenzenloser Fantasie.

TrennstrichDie Interpretation eines literarischen Fantasyklassikers sollte werkgetreu verlaufen, wenn man es sich nicht mit Fans und Kritikern – oder dem Autor selbst, sollte er noch unter den Lebenden weilen – verscherzen will.

Als Michael Ende, der Autor von „Die unendliche Geschichte“, im Jahr 1984 die Verfilmung seines Buches – oder besser des ersten Buches, namens „Atréjus Suche“, im Buch an sich – sah, war er so entsetzt, das er den Film noch verhindern wollte. Leider geschah dies nicht und bis heute gehen Nichtkenner des Buches davon aus, das „Fuchur, der Glücksdrache“ aussieht wie ein Plüschtier und sich anhört und benimmt wie ein Großvater.

Besser erging es da dem bereits vorher erschienenem Hörspiel, an dem Michael Ende 1980 selbst mitarbeitete und welches die Werkstreue nur vermissen lässt, da man hier inhaltlich kürzen musste. Mit der neuerlichen Vertonung seines Buches, an welche sich der WDR im Jahr 2014 heran wagte, wäre Michael Ende sicher zufriedener gewesen.

Auf sechs CDs, in 270 Minuten Spielzeit und bestückt mit über vierzig Sprechern breitet sich die komplette Welt Phantásiens im Gehörgang des Fantasy- und Märchenfans aus.

Die Inszenierung ist wohltönend satt und voll mit dem, was das Buch ausmacht – dem Gefühl für Träume, dem Willen an Unmögliches zu glauben und der Flucht vor dem was viele Menschen in Kindertagen erschreckt – der Realität und dem Umstand des Alterns, mit dem der Verlust der meisten Träume und Wünsche einher geht.

Auch wenn das Hörspiel im Jahr 2014 produziert wurde, so hatte ich doch über die komplette Spielzeit hinweg das Gefühl eine Umsetzung aus vergangenen Tagen präsentiert zu bekommen. Technisch auf dem neusten Stand und auch sonst vollkommen up to date ist das Feeling der Inszenierung irgendwie Retro und somit in den Tagen angesiedelt als viele Hörspiele des deutschen Radios noch eine Seele hatten und nicht so verkopft an Kunst angepresst wurden wie heutzutage.

Zwei Erzähler führen durch die Geschichte und alle Figuren Phantásiens sind akustisch genau so besetzt, wie ich mir sie damals bei lesen vorgestellt hatte. Auch wenn Michael Ende in seinem Buch viel Raum zur eigenen Interpretation der Charaktere lässt, so ist eine Stimme wie die von Mechthild Großmann für mich zu 100% auf dem Punkt, wenn es um „Morla, die Riesenschildkröte“ geht. Die „Mir doch egal“-Einstellung des uralten Reptils wird von der Schauspielerin mit der dunklen und rauen Stimme perfekt umgesetzt und man sieht die genervt rollenden Augen förmlich vor sich, wenn sich „Atréju“ mit dem Urtier beschäftigen muss.

Auch der Rest des Cast kann sich hören lassen. Hier nur ein Auszug der bekanntesten Namen: Anna Thalbach, Laura Maire, Claudia Urbschat-Mingues, Jürgen Thormann, Oliver Stritzel, Cathlen Gawlich, Jens Wawrczeck, Manon Straché, Walter Renneisen, Matthias Haase usw. usw. usw..

Man sollte sich Zeit nehmen, um die Geschichte und deren Umsetzung wirklich in allen Facetten aufnehmen zu können. Hilfreich ist dabei der Umstand, das jedes einzelne Kapitel/Buch des Buches auf einer separaten CD zu finden ist und man so auch Pausen zwischen den CDs machen kann, ohne den Anschluss zu verlieren. Dennoch sind 270 Minuten ein Tour de Force, welche sich aber am Ende der letzten CD als lohnenswerte Reise in die Entspannung heraus stellt.

In Zeiten, in denen Radiohörspielen fast vollkommen der Unterhaltungswert auf der Entspannungsebene entzogen wird und in der man versucht Kunst in eine Form zu zwingen, welche an sich schon eine Kunst ist – nämlich Unterhaltung für das innere Auge, nur durch die Akustik zu erzeugen – stellt diese Produktion eine herausragende Möglichkeit dar, aufzuzeigen zu was das Medium Hörspiel in der Lage ist, wenn man es zu instrumentalisieren versteht. Nun liegt es nur am Konsumenten, sich darauf einzulassen und den Verantwortlichen des Radiolandes zu zeigen, das es Unterhaltung ist, welche benötigt wird und nicht Kunst auf verkopftem Wege.

Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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