Paul Burghardt, 22.05.2016

Manchmal machen sie sich selbstständig – die Fans eines Hobbys steigen in die Profiproduktion ein und versuchen, das Hobby zum Beruf zu machen. Ab und zu gelingt es, meistens scheitert es jedoch, da es an Fachkenntnis und Talent mangelt und man alles zu rosa durch die Brille des Fans betrachtet, statt daran zu denken, dass Miete und Kühlschrank ein wichtiger Bestandteil des Lebens sein können.

Ich „kenne“ Paul Burghardt schon etwas länger – noch aus den Tagen, als er ausschließlich in der Hobbyhörspielmachercommunity „Hörspielprojekt“ unterwegs war. Mittlerweile ist er selbstständiger Autor und ein Teil des Hörspielproduzentenduos „Stein/Hardt“, neben Tom Steinbrecher.

Paul, zuerst einmal danke für die Zeit und dann direkt die erste Frage:

Thomas Rippert: Wie kommt man auf die Idee, aus dem Hobby seinen Broterwerb zu machen? Gerade heutzutage ist das Produzieren von Hörspielen hierzulande nicht mehr wirklich etwas, das einen vollen Kühlschrank problemlos garantieren kann, seit sich der Hype 2009 so schnell wieder verabschiedet hat, wie er 2000 aufgekommen ist.

Paul Burghardt: Hallo Thomas, ich habe zu danken und freue mich über unser schriftliches Gespräch. Schön, dass es mit Lukes Meinung weitergeht. 🙂

Ja, warum widmet man sich Hörspielen? Ich könnte aber auch fragen: Warum nicht? Denn es ist durchaus möglich, sich ab und zu eine Scheibe Toast zu gönnen. Den Porsche kaufe ich eben erst nächsten Monat, das kann ich verschmerzen. Ich stehe ja auch nicht ganz mit nichts da, sondern habe gleich zwei Staatsexamen in der Tasche. Eigentlich bin ich nämlich ein fertig ausgebildeter Gymnasiallehrer für Deutsch und Katholische Religion. Das gibt mir eine gewisse Rückendeckung, denn ich kann mich jederzeit an Schulen bewerben und mich dem Unterrichten widmen.

Selbstständigkeit birgt immer ein Risiko. Sicherlich verstärkt im künstlerischen Bereich, doch auch mit »Handfestem« kann man auf die Nase fallen, warum also nicht einfach mal ausprobieren, wenn sich gerade eine Möglichkeit dazu bietet?

In meinem Fall befand ich mich gerade in der Übergangsphase vom Referendariat zum Berufsleben. Ich dachte mir einfach: »Hey, probiere es jetzt oder lass es bleiben!« Ich habe mich für Ersteres entschieden. Allerdings tue ich mich mit Begriffen wie »Fan« und »Hobby« etwas schwer, da es recht nichtssagend ist.

Ja, ich habe das Machen von Hörspielen einige Jahre »nur« als Hobby betrieben. Ja, ich bin ein Freund des Mediums, sonst würde ich ihm nicht so viel Zeit widmen. Aber ich bin nicht das, was man gemeinhin als Fan oder gar Kassettenkind bezeichnet.

Ich habe als Kind so gut wie überhaupt keine Hörspiele gehört. Erst im Alter von 22 oder 23 kam ich in die Szene, entdeckte Hoerspielprojekt.de mehr durch Zufall und blieb da einfach irgendwie hängen, weil mir die anderen Macher so sympathisch waren. Das war also etwa 2008/09, eben das Ende jenes Booms, den ich nie wirklich wahrgenommen habe.

Ich mache Hörspiele nicht, weil ich sie früher so gerne gehört habe. Ich mache sie, weil sie mir jetzt viel Freude bereiten. Es ist unglaublich befreiend, die visuelle Ebene auch mal abschalten zu können und, ähnlich wie beim Lesen, die eigene Phantasie spielen lassen zu dürfen.

So viel zum Thema »Fan«, bleibt noch das »Hobby«.

Diese Freizeitbeschäftigung – mehr bedeutet dieses Wort nicht – sagt nichts über die Qualität der Werkes aus. Genauso wie das Aufkleben eines Preisschilds auf ein Produkt es auch nicht automatisch wertvoller macht, es wird einfach nur Geld dafür verlangt.

Das ist ein unangenehmes Thema, ich weiß, aber es ist mir wichtig, dass Folgendes klar ist: Hobby/Amateur bedeutet nicht automatisch, dass es schlechter ist und das Wort »kommerziell« ist ebenfalls kein Qualitätsgarant.

Wir alle besitzen Hörspiele, die wir im Nachhinein als Fehlkauf erkannt haben. Und ich kenne einige kostenlose Hörspiele, insbesondere die von Hoerspielprojekt.de, die sich durchaus mit guten kommerziellen Werken messen können.

Entschuldige das Abschweifen, aber das musste einfach mal heraus. Ich wurde schon öfter kritisch beäugt, einfach nur, weil ich auch Gratishörspiele gemacht habe.

Aber um Deine Frage kurz und knapp zu beantworten: Ich mache Hörspiele beruflich, weil ich sie jetzt gerade sehr mag und weil ich gerne noch viel mehr Zeit damit verbringen möchte, diese Liebe zu empfinden und weiterzugeben.

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Thomas Rippert: Da gibt es nichts zu entschuldigen, denn ich bin da vollkommen bei Dir! Ich habe eine Menge Kostnixx-Hörspiele, welche vielen kommerziellen Produktionen auf CD mächtig die Luft abdrücken könnten.

Erzähl mir doch mal kurz, an was Du gerade arbeitest. Einzelhörspiele? Serien? Selbst erdachtes? Auftragsarbeiten?

Paul Burghardt: Ich bin derzeit als Autor und Produzent tätig. Größtenteils sind die Hörspiele, die ich mache, auch aus meiner Feder. Es sind dennoch Auftragsarbeiten, was ja letztlich auch nur bedeutet, dass nicht ich selbst das finanzielle Risiko bei einem eventuellen Misserfolg zu tragen habe.

Aktuell erscheint unsere Serie »Twilight Mysteries«, eine Auftragsarbeit für Maritim, bei der Tom und ich so gut wie sämtliche Freiheiten hatten. Jedes Wort, jedes Geräusch, alles durften wir frei bestimmen. Das war ein herrliches Gefühl. Hier kann ich bereits ankündigen, dass zusätzlich zu den vier Folgen, die bis zum Juli erscheinen werden, eine zweite Staffel erst kürzlich in Auftrag gegeben wurde. Damit wird es also definitiv weitergehen.

Natürlich kann ich nicht nur von einer Serie leben, weshalb Twilight Mysteries nicht das einzige Eisen im Feuer ist. Es wird weitere Serien geben, die bei verschiedenen Labels erscheinen werden. Bis diese aber nicht vollständig abgeschlossen und die Veröffentlichung spruchreif ist, muss ich mich da leider in Schweigen hüllen. Was ich aber sagen kann, ist, dass es sich hier nur um Serien handelt. Die Einzelhörspiele, die ich mache, werden (vorläufig) immer in einer bestehenden bzw. entstehenden Hörspielreihe erscheinen.

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Thomas Rippert: Womit wir beim erhofften Stichwort wären: Twilight Mysteries!

Die erste Folge hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich gnadenlos zugeben muss, dass ich so meine Bedenken hatte. Die erste Inkarnation der Serie stammte aus der Feder und Produktion von Erik Albrodt, der es leider nicht geschafft hat die ganze Sache so ins Rollen zu bringen, wie sie es definitiv verdient gehabt hätte. Falsche Zeit, falsches Label … usw.

Wie bist Du damit umgegangen, als man Dir nun diese existierende Welt anbot in der ja bereits Charaktere und Verhaltensweisen vorgegeben waren? Inwiefern unterscheidet sich dein TM von seinem Vorgänger?

Paul Burghardt: Zunächst mal ist es nicht »mein« Twilight Mysteries, sondern »unser«. Eine Gemeinschaftsarbeit von Tom Steinbrecher und mir, bei der er auch an den Skripten entscheidend mitgewirkt hat. Hier haben wir beim Erstellen der Plots direkt über die Tonebene diskutiert, die ja sein Hauptfeld ist. Außerdem wurde die Serie nicht mir angeboten, sondern Tom.

Nachdem Maritim die Serie gekauft hatte, erhielt er den Auftrag, sie fortzuführen. Glücklicherweise hatten wir gerade eine erfolgreiche Zusammenarbeit für Dreamland Grusel beendet (Folge 22, »Im Bann der Teufelskrähe«), die so fruchtbar war und uns beiden so viel Spaß gemacht hat, dass Tom mich auch hier mit ins Boot holte.

Die Serie von Erik bestand aus drei Einzelfolgen, die theoretisch auch wild durcheinandergewürfelt werden könnten, da sie jeweils komplett in sich abgeschlossen sind.

Wir haben uns die Serie gemeinsam angehört und beschlossen, dieses Konzept ein wenig zu verändern. Wir haben mit Folge 1 neu begonnen, einen übergeordneten Handlungsbogen eingebaut und sämtliche Fälle selbst erdacht.

Ja, die Charaktere waren vorgegeben, aber auch da haben wir uns die Freiheit genommen, diese soweit zu verändern, wie wir es gerne wollten. Dr. Morton Zephyre ist nicht mehr der harte Knochen, wie es in der Version von Erik der Fall war. Nun hat er Schicksalsschläge erlitten, einen melancholischen Touch erhalten und eine regelrechte Technikphobie entwickelt. Nina haben wir zu einem Hacker-Girl gemacht, auch das war in der Ur-Version nicht wirklich der Fall. Dave scheint der Alte geblieben zu sein, hat aber auch hier und da ein paar Modifikationen erfahren. Das wird insbesondere in den Folgen 3 und 4 deutlich. Bei unserer Serie lernen Zephyre und Dave Nina in Folge 1 überhaupt erst kennen.

Gleichgeblieben ist jedoch die lockere Art, mit der bei Twilight Mysteries mit übersinnlichen Phänomenen umgegangen wird. Den Charakteren liegen immer Sprüche auf der Lippe und auch wenn es dramatisch herging, fehlte bei Eriks Hörspielen nie die feine Prise Humor. Das haben wir versucht zu übernehmen, weil gerade dieses Konzept Twilight Mysteries für uns ausgemacht hat.

Ich habe vorhin schon von der Freiheit beim Erstellen der neuen Serie gesprochen. Die Vorgaben waren nicht so groß, wie man zunächst annehmen könnte. Letztlich haben Tom und ich die Serie zu etwas gemacht, das uns am Herzen liegt und damit auch »unser« ist. Wir hoffen, dass die Hörer ähnlich empfinden, wie wir.

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Thomas Rippert: Kann man sagen. Also ich höre das heraus, subjektiv. Zumindest habe ich nun Gewissheit diesbezüglich keinen an der Klatsche zu haben und mir die Veränderungen nur einzubilden. 🙂

Hörst Du die Produktionen selbst auch nochmal nach, wenn sie erschienen sind und wenn ja, wie gehst Du damit um?

Paul Burghardt: Grundsätzlich versuche ich schon, jede Produktion, in der ich mitgewirkt habe, nachzuhören. Jetzt ist es aber so, dass man als Macher auf verschiedenen Ebenen an der Produktion mitwirkt. In der Regel schreibe ich das Dialogbuch, leite die Aufnahmen, führe Regie und erstelle den Sprachschnitt. Das Sounddesign übernimmt für gewöhnlich jemand anderes, doch auch das fertige Master wird gegengehört, verändert, wieder gehört usw. Ich bekomme die einzelnen Dialoge also in vielfältiger Weise geboten, bevor das Endprodukt »Hörspiel« endlich entsteht. Das kann manchmal ermüdend sein, aber man brennt ja für die Sache und kann sich immer wieder aufs Neue dafür begeistern.

Natürlich gibt es Hörspiele, wo ich im Hintergrund mal 2 Sätze gesprochen habe, da kann es auch mal etwas dauern, bis ich mir das Gesamtwerk zu Gemüte führe. Twilight Mysteries habe ich dagegen schon mehrfach gehört – alle 4 Folgen in allen denkbaren Zwischenformen. Das kann ich normalerweise nicht, da man irgendwann »genug davon hat«, doch bei TM ist das anders. Das macht für mich persönlich das Besondere an der Serie aus. Man kann sie mehrfach hören, ohne ihrer überdrüssig zu werden.

Wenn ich dann aber nach der Veröffentlichung ein Werk nach langer Zeit wieder höre (es kann schnell mal ein halbes Jahr oder mehr zwischen der Masterabgabe und der VÖ liegen), versuche ich es als neues Kunstwerk zu betrachten und mich darauf einzulassen. Das klappt sogar recht gut, auch wenn hin und wieder natürlich Gedanken auftauchen, wie z.B.: »Oh, da hätte im Sprachschnitt eine Drittel-Sekunde weggenommen werden können.« Oder: »Mist, die Betonung sitzt nicht zu 100%. Warum habe ich das damals nicht bemerkt?« Aber das versuche ich zurückzudrängen.

Wenn man nur noch analysiert, vergeht einem der Spaß an der Sache. Hauptsächlich höre ich aber fremde Produktionen. Was auch sonst, noch habe ich nicht wirklich viel veröffentlicht. 😉

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Thomas Rippert: WORD, wie man so schön sagt. Irgendwann ist mal genug verbessert.

So langsam nähern wir uns dem Ende der ersten Inteviewetappe – denn ich hoffe, dass Du noch mehr produzieren wirst und dass ich Dich dann nochmal schriftlich zur Ader lassen kann.

Was wäre dein Traumprojekt? Und jetzt bitte nicht mit „Mit TM habe ich das bereits!“. 😀 Welche Art Stoff, Genre, Sprecher, Kollegen, wasauchimmer?

Paul Burghardt: Piraten! Ganz klar!

Das ist ein Stoff, der mich schon seit sehr langer Zeit fasziniert und einfach nicht loslässt. Horizontjäger und Schatzsucher. Das möchte ich auf jeden Fall einmal machen. Ob nun Hörspiel oder Buch, das weiß ich noch nicht. Eventuell ja beides. Wilde Seeschlachten in der Karibik, die immer fortwährende Suche nach Reichtum, Macht, vor allem aber Freiheit.

Ich liebe diese romantisch verklärte Version, die zwar nicht authentisch ist, dem Leser bzw. Hörer aber eine Welt voller Abenteuer und Möglichkeiten offenbart. Auf meiner Leseliste stehen seit ein paar Wochen die Schatzinsel und Captain Blood, weitere Klassiker werden folgen. Mal sehen, was mir selbst da einfällt.

Bei einer Hörspielversion würde ich auf jeden Fall wieder mit Tom zusammenarbeiten wollen. Wir funktionieren außergewöhnlich gut miteinander und schaffen es bei Meinungsverschiedenheiten immer, einen Kompromiss zu schließen, mit dem wir beide zufrieden sind.

Welche Sprecher dabei in Frage kommen würden, tja, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es kommt selten vor, dass ich eine Geschichte schreibe und die Besetzung der neuen Rollen bereits feststeht. Ich entwickle die Charaktere lieber zuerst und suche dann die passende Besetzung für die Figur. Umgekehrt würde vielleicht die Geschichte darunter leiden.

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Thomas Rippert: Und jetzt noch die berühmten letzten Worte!

Paul Burghardt: Dir, lieber Thomas, danke ich herzlich für das nette Gespräch. Und allen anderen da draußen wünsche ich schlicht und einfach viel Spaß! Genießt das Leben, die Bücher, die Hörspiele – mehr ist nicht nötig. 🙂

Zuletzt noch… 1.) Ich bin nicht lieb und 2.)Paul Burghardt, live und unzensiert: www.paulburghardt.de

Thomas Rippert
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