Mein Name ist Toth, Vincent Toth und ich gestatte Ihnen einen Einblick in meinen persönlichen Werdegang als Freund Hein. Ja, Sie haben richtig gelesen. Ich bin der sogenannte Sensenmann, zumindest einer von ihnen. Selbstverständlich mache ich das nicht ganz ohne Eigeninteresse. Bedauerlicherweise habe ich mich nämlich, nicht zum ersten Mal übrigens, in eine missliche Lage gebracht und da sich die Meinen scheinbar einen feuchten Dreck darum scheren, wie ich wieder in meine Sphären zurückfinde, sehe ich durch die Veröffentlichung meines Wirkens unter euch Erdenmenschen eine vage Hoffnung, mich wieder zu dematerialisieren und mein Bewusstsein die Heimreise antreten zu lassen. Wäre da nicht diese blonde Journalistin.
Der Tod, es gibt ihn wirklich und er spricht sogar zu mir!
Das ist der Eindruck, den man sofort bekommt, nachdem man das erste Kapitel von John D. Sikavica zweitem Roman „Mister Toth“ gelesen hat.
Wie der Bursche heißt, weiß er selbst nicht mehr und er nennt sich einfach „Vincent Toth“ als er danach gefragt wird und einen Namen braucht um in einer – selbst für ihn – skurrilen Situation zu bestehen und keine unnötigen Verdachtsmomente zu erschaffen.
Diese bleiben dennoch nicht aus, denn Katarina Sadlowski – ihres Zeichens freischaffende Journalistin – hegt genau das, nämlich Verdachtsmomente, gegen den seltsamen Typen, welchen sie in der Faschingsnacht mit an einem Straßenschild festgefrorener Zunge entdeckt.
Nach seinem Science-Fiction-Erstlingswerk „Phase 7“ widmet Sikavica sich hier nun der „Urban Fantasy“ und da ich diesen Begriff für reichlich daneben halte, bezeichnen ich dieses Buch einfach einmal großflächig als Horror-Roman, oder Grusel… wenn man denn unbedingt unterteilen muss.
Wer sich schon immer gefragt hat, wie es in der Gedankenwelt von jemandem zugehen mag, der die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits begleitet und wie dies bewerkstelligt wird, dem gibt Sikavica hier die Möglichkeit in den Kopf eines Sensenmanns zu sehen und sich dabei auch noch königlich zu unterhalten.
Zum einen sind da die Unsicherheiten eines Grimme Schnitters in der Ausübung seines Jobs, zum anderen die sarkastischen Betrachtungen seiner Umwelt und seiner Tätigkeit durch Freund Hein Himself.
Je mehr „Vincent Toth“ in Situationen gerät, aus denen er sich schwerlich selbst und vollkommen einfach wieder herausbringen kann, umso mehr Spaß machte mir die Sichtweise des Burschen, denn der gute „Vincent“ ist alles andere als ein selbstverliebter und vollkommen von sich eingenommener Gevatter Tod. Er zweifelt an dem was er macht und ist sich niemals so sicher in genau dem Moment genau das richtige zu tun.
Und genau das macht den Burschen so sympathisch und man denkt sich, dass er es sein sollte, der einen abholt, sollte denn der Tag gekommen sein, an dem man sein irdisches Dasein wird beenden müssen. „Hey, ich muss zwar jetzt gehen, aber immerhin bringt Vincent mich ans Ziel und das wird sicher irgendwie witzig werden!“.
Schauplatz der ganzen Geschichte ist das Städtchen Leonberg in Deutschland – nicht etwa London oder irgendein Vorort eines amerikanischen Molochs, welches ich nicht kenne, doch in dem ich nicht tot über dem Zaun hängen möchte, denn die Beschreibungen von Sikavica sind so genau und detailliert, dass es sich um genau so eine Kleinstadt handeln muss, in der ich nicht leben würde.
Und genau so detailverliebt wie die Beschreibung Leonbergs sind auch die anderen Darstellungen und Beschreibungen von Land, Leuten und Geschehnissen. Man hat von Anfang an das Gefühl sich in der ersten Reihe zu bewegen und mit den ganzen Protagonisten durch die Geschichte zu turnen, welche sich zum einen aus der Sicht von „Vincent Toth“ und zum anderen aus der des „Ich weiß was und erzähl dir das!“-Betrachters darbietet.
Geheimbünde – und warum die bekannten Geheimbünde ja gar nicht so geheim sein können wenn man sie kennt, Verschwörungen, Ansichten eines Todbringers, Umgang mit dem Ende des irdischen Daseins und eine Menge Spaß am Umgang mit Sarkasmus und Humor – das zeichnet den zweiten Roman von Sikavica vordergründig aus. Wenn man sich jedoch die Mühe macht ein wenig hinter das alles zu lesen, wird man erkennen, dass Sikavica sich auch hier wieder sehr viel Mühe gegeben hat, treffgenaue Formulierungen der anspruchsvolleren Art anzubringen und es dennoch schafft weder in die Ecke der gestelzten Unterhaltung noch in die des „Ich brauch unbedingt einen deutschen Buchpreis!“-Qual eines pseudo intellektuellen Urban-Fantasy-Dramas abzurutschen.
Ein Leckerli für zwischendurch ist „Toth“ dennoch nicht, denn man sollte sich schon genug Zeit und Muße nehmen um nicht im Schweinsgalopp durch die 244 Seiten zu rasen, die Hälfte zu verpassen und sich somit selbst den Spaß am Ganzen zu nehmen.
John D. Sikavica mag sicher recht unbekannt sein das draußen, doch ich hoffe sehr das irgendwer auf den guten „Vincent“ aufmerksam wird und ihm ein Zuhause gibt, welches auch in den Buchregalen der Real Life-Buchhandlungen zu finden ist, denn Autor und Buchheld haben das – meiner subjektiven Meinung nach – verdient.
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