Ein Mann überlebt einen Unfall mit schwersten Verbrennungen. Entstellt und voller Schmerzen hat er danach nur einen Gedanken: Wie kann er seinem elenden Zustand ein Ende bereiten? Da taucht eine mysteriöse Frau an seinem Krankenbett auf: die schöne Marianne Engel, exzentrische Bildhauerin beeindruckender Fabelwesen. Sie behauptet, sie seien einst Liebende gewesen – vor siebenhundert Jahren in Deutschland, als sie eine Nonne war und er ein Söldner auf der Flucht. Ist diese Frau einfach verrückt? Oder ist sie der rettende Engel, der ihn erlösen wird?
Sprecher: Stefan Kaminski, Sascha Icks
Vollständige Lesung, 13 CD, Spielzeit: 999 Minuten
Liebe, so heißt das Grundthema dieser Geschichte. Doch ist es nicht unebedingt die softe Weichspülvariante welche man hier geboten bekommt. Weder roten Herzchen „durchfluten“ die Lesung noch wird Schmalz pur geboten. Liebe kann auch getrieben sein und Menschen zu Grunde richten.
Ein den Drogen zugetaner Pornodarsteller wird bei einem Autounfall auf das schwerste verbrannt und entstellt. Er vegetiert auf der Verbrennungsstation des Krankenhauses vor sich hin und versucht Wege zu finden diesem Leben durch einen Freitod ein Ende zu breiten. Doch eines Tages taucht bei ihm eine junge Frau auf die sich ihm als seine Geliebte vorstellt. Doch kann er sich nicht an sie erinnern. Marianne Engel, so heißt die Frau, behauptet das sie sich in früheren Leben gekannt und auch geliebt hätten. Und sie beginnt ihm eine Geschichte zu erzählen welche von einer Nonne und einem verwundeten Söldner handelt, im vierzehnten Jahrhundert spielt und auch von deren Flucht aus Liebe berichtet. Und sie erzählt ihm von einer mythischen Kreatur namens „Gargoyle“…
Das gibt dem Mann wieder Mut und Kraft, auch wenn er glaubt das Marianne an einer Geisteskrankheit leide und Wahnvorstellungen habe, und als er das Krankenhaus verlassen darf zieht er in die Wohnung von Marianne. Marianne ist Bildhauerin und finanziell gut gestellt, so das er keine Sorgen haben muss wie sich sein weiteres Leben finanzieren lassen soll. Marianne verdient recht gut mit der Anfertigung von Gargoyle-Statuen deren Herstellung von einer inneren Stimme „in Auftrag“ gegeben werden. Sie denkt das dies eine göttliche Eingabe sei. Doch was als harmonische Zweisamkeit beginnt nimmt nach und nach bedrohlich wahnsinnige Züge an.
„Die Gargoyles der Schattenwelt sind Geschöpfe der Nacht, deren dämonenhaftes Aussehen gepaart mit ihren gewaltigen Körperkräften oft der Anlass für Angst unter den Menschen ist. Trotz der häufigen Konflikte zwischen Gargoyles und Menschen in der Geschichte sind diese Wesen den Menschen nicht ausnahmslos feindlich gesonnen. Sie haben oftmals nur wenige Erfahrungen mit anderen Völkern als Menschen und ihresgleichen gesammelt, weshalb Verwirrung, Neugier oder auch eine verängstigte Feindseligkeit bei jüngeren Gargoyles aber nicht unwahrscheinlich ist.“ – Quelle: www.schattenwelt.de
Das diese Geschichte ein Debutroman sein soll mag man kaum glauben, doch ist es Andrew Davidsons erstes Werk. Und er hat recherchiert wie ich es nur selten zuvor erlebt habe. Mit seiner ansprechenden Ausdrucksweise bringt er die Geschehnisse zum Leben auch wenn er keine Tabus beachtet und alles so schildert wie es die Realität gebietet und wie es im wirklichen Laben zu finden ist.
Deshalb ist diese Story auch für Leute mit schwachem Magen nicht unbedingt zu empfehlen. Auch wenn der Titel eventuelle einen Ruck in Richtung Grusel vermuten lässt, so ist dem jedoch nicht so. Der Gargoyle ist der verunfallte Mann, welcher über die ganze Lesung hinweg ohne Namen bleibt, und er bestimmt somit auch die Haupthandlung. So wird bis ins kleinste Detail genau geschildert wie Brandopfer behandelt werden und was sie für Qualen und Schmerzen über sich ergehen lassen müssen. Doch so genau wie diese negativen Dinge beschrieben werden, so lässt sich Davidson auch über positive Dinge, wie eben die Liebe, aus.
Auch lässt Davidson den Zuhörer bis fast komplett zum Ende hin im unklaren über die wahre Geschichte und die wahren Dinge welche sich am Schluss mit voller Wucht offenbaren. Er bewegt seine Protagonisten mit fast spielerischer Leichtigkeit durch eine feindliche Umwelt, versucht ihnen ein Profil zu geben in das man hinein fallen muss um dann die Geschichte in Bahnen zu lenken die vielleicht vorhersehbar sind, jedoch so emotional bewegen das man sich der ganzen Sache nicht entziehen kann. Normalerweise höre ich ein Hörbuch von der ersten CD an ohne große Pausen durch – nicht so hier. Ich musste längere Hörpausen einlegen um das gehörte zu verdauen um mich dann der Geschichte wieder widmen zu können.
Das Schicksal der beiden Figuren ist so bewegend und real das es eigentlich unmöglich ist nicht in den Strudel der Emotionen mit hinein gezogen zu werden. Szenen in denen der Mann behandelt wird erzeugen Unbehagen und Phantomschmerzen, genau so wie die zwischenmenschlichen Passagen der beiden Protagonisten mir einen fast nicht zu entsorgenden Kloß in den Hals bescherten. Wer nah am Wasser gebaut hat wird hier sicher eine Menge Taschentücher zu vernichten haben, wer einen empfindlichen Magen hat wird sich sicher schnell überlegen die Krankenhausszenen zu „überspringen“.
So wie die Geschichte geschrieben ist, so wird sie auch von Stefan Kaminski und Sascha Iks vorgetragen. Hier wird nicht viel Spiel von den Sprechern gefordert, da nur die beiden Hauptcharaktere wichtig sind und der Rest im Hintergrund verschwindet. Und diese beiden Figuren wurden mit begnadeten Stimmen besetzt. Habe ich Kaminski schon in vielen Hörbüchern gehört, so ist alles bisher da gewesene nur ein leichter Hauch gegen das was er hier vollbringt. Es ist nicht gespielt was er hier vorlegt, doch ist die reine Lesung so intensiv und beklemmend, das er den „Mann“ so lebendig herüber bringt als säße er vor dem Zuhörer selbst. Auch Sascha Iks liest ihren Part mit viel Liebe und noch mehr stimmlicher Tiefe vor. Beide zusammen erschaffen hier eine sehr epische Lesung die komplett nur vom Timbre der beiden hervorragenden Sprecher lebt.
Keine leichter Stoff der beim hören auch des öfteren zu gedrückter Stimmungslage beim Hörer selbst führen kann, zumindest war es bei mir so, aber dennoch so fesselnd und bannend ist. Wer bereit ist sich auf eine Reise in das Seelenleben von zwei vermeintlich Verlorenen einzulassen und auch eine fast schon unauslotbare Tiefe in einer Geschichte nicht scheut, der sollte sich dieses Werk zu Gemüte führen…
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