Menschenhafen

Menschenhafen

„Papa, was ist das? Da drüben auf dem Eis?“ Ein strahlend schöner Wintertag. Anders steht mit seiner sechsjährigen Tochter Maja im Leuchtturm der Insel Gåvasten und schaut aufs Meer hinaus. Eis, überall Eis. Und Schnee. Was hat seine Tochter in der Ferne erspäht? Da ist doch nichts. Kurz darauf läuft Maja hinaus, um nachzusehen und der Alptraum beginnt. Obwohl sie auf der freien Eisfläche nicht verschwinden kann, passiert genau das. Plötzlich ist sie weg. Spurlos verschwunden. Anders und seine Frau haben kein Kind mehr … Jahre später erreichen Anders mysteriöse Botschaften. Lebt Maja etwa noch?

Sprecher: Sascha Rotermund

Bearbeitete Fassung, 6 CD, Spielzeit: 439 Minuten

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John Ajvide Lindqvist, die schwedische Antwort auf Stehen King, ist mit seinem neusten Werk, zumindest in der deutschen Übersetzung, zurück. Nach der Vampirgeschichte „So finster die Nacht“, welche mittlerweile auch im Kino zu bewundern ist, und „So ruhet in Frieden, einem Zombieroman, betritt er nun ein neues Gebiet des Grusels.

Was eignet sich besser als eine abgeschnittene Insel um Menschen ihre Hilflosigkeit gegenüber dem Übernatürlichen klar zu machen? Wasser rings herum und kaum eine Möglichkeit einer Bedrohung auf die schnelle entfliehen zu können, welche nicht mit eine paar gezielten Axtschlägen versenkt werden könnte.

Und Lindquist versteht es auch hier erneut die Spannung langsam und schleichend aufzubauen. Zuerst verschwindet ein Kind. Dies ist nicht wirklich mit dem Flair des Übernatürlichen gesegnet und so hat man über die erste Zeit eher das Gefühl Lindqvist wolle einen Krimi zum besten geben. Die Vergangenheitserzählungen der Hauptakteure tun das ihrige dazu um den Zuhörer zuerst in relativer Sicherheit zu wiegen. Doch nach und nach fügt sich ein unbehagliches Bild zusammen und der Faktor des Unwirklichen drängt sich immer mehr in die Geschichte hinein.

Lindqvist kommt hier nicht sofort auf den Punkt, so wie er es in den beiden Vorgängern getan hat, sondern verlässt sich diesmal darauf das der Spielplatz und dessen unwirtliche Darstellung, sowie die recht realistische Ausgangssituation, von alleine wirken werden. Doch wird der Horroraspekt auch mit wehenden Fahnen bedient.

Auch wenn die Splatterelemente nicht ganz so ausgeprägt sind wie in der „Nacht“ und die depressive Stimmung des „Frieden“ auch nicht aufkommt, so kann das neuste Werk doch mit eigenständigen Elementen und einer ebenfalls ungewöhlichen Mischung bekannter Dinge überzeugen. Streckenweise hat man das Gefühl man habe eine besser durchdachte Variation von „Friedhof der Kuscheltiere“ vor sich, welche aber mit etwas tiefergehenden seelischen Strapazen und subtilerem Schrecken spielt, als King das getan hat.

Die Welten des John Ajvide Lindquist sind kalt und nicht die angenehmsten zu bereisen. Und genau da kommt Sascha Rotermund ins Spiel. Mittlerweile die dritte Lesung, nach einem Buch des schwedischen Autors, wird von ihm hier intoniert. Er versteht es perfekt die kalte Stimmung und die stets beklemmenden Ausmaße der Geschichten zu transportieren und das schleichende Grauen genau so schleichend in die Hörwelt des Zuhörers zu tragen. Die Aussprache der Namen ist für ihn keinerlei Problem, wobei ich nicht sagen kann ob das phonetisch richtig ist oder nicht – zumindest hört es sich korrekt an, und auch sonst sitzt bei ihm jede Betonung genau da wo sie ihre volle Wirkung entfalten kann. Mal lebendig und mal eiskalt führt er durch die Story und verpasst keine Gelegenheit um Schrecken und Unbehagen zu verbreiten.

Nichts ist schön und kuschelig in dieser Welt und man spürt die Kälte während des hörens in die Knochen kriechen. Gut gemachter Unwohlsein-Grusel mit perfektem Sprecher und packender Story…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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