Klappentext der Box: Wer Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Sir David Lindsay leibhaftig bei ihren Abenteuern zwischen Algerien und Istanbul erleben möchte, dem sei diese originalgetreue, effektvolle Hörspielinszenierung ans Herz gelegt. Der Westdeutsche Rundfunk produziert mit Walter Adler (Regie) und über 140 Sprechern ein opulentes Spektakel für die Hörer, vor einer aufwändigen Geräuschkulisse aus Bazargeplauder und Kampflärm, aus Pferdegetrappel und stimmungsvoll orchestrierter Musik. Für fast zwölf Hörstunden werden Kara Ben Nemsis alias Karl Mays Orientabenteuer mit seinen Geschichten von Treue und Verrat, von Glaube und Toleranz plötzlich ganz lebendig.
Genau so wie er nie im Amerika des Wilden Westens gewesen ist, so war Karl May, meines Wissens nach, auch niemals in den Gegenden, welche er für die „Kara Ben Nemsi“-Abenteuer nutzte. Und „Kara Ben Nemsi“ ist niemand anderes als die Wunschgestalt von Karl May selbst, so wie er sich auch in den Westen als „Old Shatterhand“ selbst versetzte – oder zumindest so wie er wohl gerne gewesen wäre.
Der gesamte Orientzyklus umfasst die Bücher „Durch die Wüste“, „Durchs wilde Kurdistan“, „Von Bagdad nach Stambul“, „In den Schluchten des Balkan“, „Durch das Land der Skipetaren“ und „Der Shut“. Dies alles kommt, im normalen Buchformat, gedruckt auf knapp 4000 Seiten. Wie man diese jedoch in ein Hörspiel von fast 11 Stunden Spieldauer quetscht, ohne das Wichtigste weglassen zu müssen und ohne die Geschichte zu stark zu verfälschen, um den Puristen kein Wurfmaterial in die Finger zu geben, kann man im Booklet nachlesen.
Die Geschichte beginnt – nachdem man Karl May persönlich kennen gelernt hat – mit der Vorstellung der beiden Hauptfiguren Kara Ben Nemsi und seinem Weggefährten Hadschi Halef Omar (den Rest des Namens erspare ich mir zu tippen). Erneut versucht Hadschi seinen Sihdi, wie er Kara nennt, zum anderen Glauben zu bekehren indem er ihm die Vorzüge seiner Religion erklärt. Über diesen Wortschwall wird jedoch die Vorstellung der beiden Hauptdarsteller durch Kara Ben Nemsi gelegt. Und so findet man sich schnelle und besser informiert im Land des Ostens wieder als man es für möglich gehalten hätte.
Als die beiden auf ihrem Weg „Durch die Wüste“ die Leiche eines Franzosen entdecken und sich auf die Jagd nach dessen Mörder machen, beginnt das Abenteuer, welches die beiden in die Hände von Piraten, einem Beduinenstamm und anderen bunt schillernden Persönlichkeiten treiben werden. Die ganze Geschichte hier selbst nur kurz anzureißen wäre zu umfangreich und man sollte sich auch nicht den Spaß verderben, wenn man diese Abenteuer noch nicht kennt.
Im großen und ganzen verfolgen die Geschichten des Ostens genau das selbe Strickmuster wie die aus dem Wilden Westen: Wo Ungerechtigkeit herrscht wird das Alter Ego von Karl May hingeführt und muss mit vielen der Bewohner des Landstrichs für Recht und Ordnung sorgen, welche er in abenteuerlichen Eskapaden wieder herstellt.
Die Produktion des WDR war von Dezember 2006 bis Ostern 2007 in 12 einzelnen Episoden im Radio zu hören. Für eine Radioproduktion wird hier ein sehr opulentes Feuerwerk an Geräuschen und Musikstücken aufgefahren. Nichts wirkt irgendwie steril und die Szenerien sind so lebendig wie man sich an die Verfilmungen erinnern kann. Doch wird hier die Grundessenz der Bücher berücksichtigt und die Figuren werden nicht populistisch verklärt, sondern so übertragen wie man sie auch aus den Büchern kennt. Auch die Sprache wurde nicht angepasst und so weht zu jeder Zeit ein wenig Hauch der Nostalgie durch das Ohr.
Sicherlich ergeben sich bei einer Spielzeit von 646 Minuten die eine oder andere Länge in der Inszenierung, doch fielen sie mir nicht wirklich negativ auf, da man sich auf eine Menge Kleinkram im Hintergrund konzentrieren kann und somit ein wenig abgelenkt wird.
140 Sprecher/innen bekommt der geneigte Zuhörer hier geboten – wobei ich eventuell auch Mehrfachrollen übersehen/überhört haben kann, bei dieser Menge an Stimmen. Das geht schon in Richtung „Otherland“ welches auch unter der Regie von Walter Adler entstand. Doch da hören die Parallelen zwischen den beiden Produktionen auch schon auf. Wo „Otherland“ zu künstlich und leblos und zu überfrachtet wirkt, ist der Orientzyklus lebendig und mit einer Menge pulsierendem Feeling versehen.
Mit dem Wüstenschiff oder zu Pferde schaukelt man sich durch quälend heiße Landstriche, belauscht Räuberlager, verhindert Überfälle und befreit Leute welche in Not geraten sind. Die ganze Inszenierung ist sehr eindringlich ausgefallen und der Freund von Abenteuern wird sicher keinerlei Probleme haben sich schnell in die Geschichte hinein fallen zu lassen und Kara sowie Hadschi bei ihrem Weg durch den Wilden Osten über die Schulter zu blicken.
Alle Stimmen aufzuzählen wäre Mumpitz und so möchte ich nur die bekanntesten Namen mit ihrer Rolle (in Klammern dahinter) erwähnen. Sylvester Groth (Kara Ben Nemsi), Matthias Koeberlin (Hadschi Halef Omar), Rufus Beck (Sir David Lindsay), Michael Mendl, Felix von Manteuffel, Renan Demirkan, Hans Peter Hallwachs, Reiner Schöne, Ingrid Andree, Dietmar Mues, Sascha Icks, Wolfgang Condrus, Michael Habeck, Horst Bollmann, Josef Tratnik, Volker Lechtenbrink und und und. Es versteht sich von selbst das hier 140 Vollblutstimmen am Werke sind und nicht ein einziger Ausrutscher oder eine einzige Fehlbesetzung zu vermelden ist.
Was der Hörverlag hier auf 12 CD präsentiert ist wie eine gigantischer Popcorn-Kinobend auf der inneren Augenleinwand. Man erinnert sich an die Abende vor dem TV als man die Helden in den Verfilmungen sehen konnte, doch sind diese Helden hier das Original, nicht die etwas zu angepassten Version des damaligen Kintopp.
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