Pavor

PavorPavor ist nicht nur das lateinische Wort für Angst, es wird auch in der Psychiatrie für jene kindliche Art von Albträumen verwendet, aus denen man schweißgebadet und mit rasendem Puls aufwacht. Und rein zufällig heißt so das ukrainische Dorf, in dem unser Protagonist eine verdammt lange Nacht verbringt. Alexander besucht sein Heimatdorf um dem Begräbnis von Onkel Iwan beizuwohnen. Die Nacht vor dem Begräbnis muss Alexander in Onkel Iwans etwas abseits gelegener Hütte verbringen. Ein folgenschwerer Fehler. Ihm steht eine Nacht bevor, in der alte Erinnerungen wachgerufen werden und ein paar neue Erinnerungen hinzukommen, auf die Alexander lieber verzichtet hätte.

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Der Begriff Pavor stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Angst“. Womit wir dann die Erklärung des Begriffes, für mich ausreichend, abgehandelt hätten und man sich fragt „warum“ man ein Dorf in der Ukraine so nennen mag.

Hört man der Geschichte zu, so kommt man der Antwort auf die Frage des „warum“ recht schnell auf den Grund. Das Dorf Pavor ist ein Ort an dem man nicht tot über dem Zaun hängen möchte und dessen Bewohner auf die gruseligste Art und Weise skurril sind – und das alles bei stetigem Nieselregen, starker Bewölkung oder extremem Schneefall. In „Pavor“ bekommt man es eben mit besagter Angst zu tun, selbst wenn man dort geboren wurde.

Das Hörspiel zeichnet sich zuerst einmal durch einen sehr langen Spannungsaufbau aus, welcher fast drei Viertel der Spielzeit belegt, bevor es an das wirkliche Übel der Geschichte geht. Man muss sich erst einmal unwohl fühlen, in der Atmosphäre die „Pavor“ von Anfang an vermittelt, um zu verstehen warum Protagonist „Alexander“ schon von Anfang an im todesdräuenden Erzählertonfall mit dem Zuhörer spricht.

Alexander zeigt dem Zuhörer erst sein angenehmes Leben in Deutschland, um danach alles mit der bedrückenden Atmosphäre von Pavor und seiner sehr unangenehmen Familie zu füllen. Dabei begeht Autor Florian Bald keineswegs den Fehler in populistische Vorurteile und zu extreme Stereotypen zu verfallen. Man versucht zu verstehen, wieso die Besatzung der Geschichte so reagiert wie sie es tut – doch so wirklich gelingen will einem das nicht.

Horror ist „Pavor“ definitiv nicht, die Kategorisierung (Deutsche brauchen Schubladen) wäre mit „Psychothriller mit leichten Anleihen beim Grusel“ besser getroffen. Die Analyse der agierenden Personen ist nicht gruselig und auch der Rest der Geschichte – vom recht unheimlichen Endspurt einmal abgesehen – hält sich auch mit Horror recht bedeckt.

Dennoch schafft „Pavor“ es, über die komplette Spielzeit hinweg, ein Feeling zu erzeugen, in dem man sich eher unwohl und ewig mental auf dem Sprung befindlich fühlt. Dies liegt nicht nur an der Geschichte oder den gebotenen Effekten/Musik. Die Sprecher – besonders Oliver Rohrbeck – leisten hier den Großteil der Kraftarbeit.

Rohrbeck, ein Urgestein der Hörspielsprechergilde, versteht einmal mehr sein Handwerk und gibt dem erzählenden „Alexander“ so viel Kraftlosigkeit mit auf den Weg, das man den gebeutelten Menschen förmlich sehen kann. Dem agierenden „Alexander“ verpasst er jedoch genau das Quentchen an Leben, welches ihn glaubhaft und nicht zu überdreht erscheinen lässt. Rohrbeck = Topleistung – nichts anderes hatte ich erwartet.

Die restlichen Stimmen erscheinen eher als Statisten und Stichwortgeber, was jedoch nicht negativ zu verstehen ist. Neben „Alexander“ ist nun einmal jede andere Rolle klein und Oliver Rohrbeck tut akustisch das übrige, um der Geschichte einen „Ich muss dir etwas unter vier Augen erzählen, Zuhörer“-Anstrich zu geben.

Jürgen Thormann, Andreas Mannkopff, Gisela Fritsch, Simon Jäger, Charles Rettinghaus und Vera Teltz sind bekannte Namen und Stimmen, welche ihre Rollen hier gewohnt souverän abliefern, doch ansonsten fallen sie nicht wirklich ins Gewicht der Inszenierung. Ein wenig mehr Tanja Fornaro hätte ich mir schon gewünscht. Auch wenn ihr Part etwas größer war, so wurde er doch durch einen Telefonverzerrer ein wenig gestört.

Im Gesamtbild gibt „Pavor“ eine anständige Portion an Kurzweilunterhaltung ab, auch wenn die Bewohner des Dorfes manchmal nerven und ein wenig mehr vom Ende sicher angenehmer gewesen wäre, als der doch recht lange Weg dorthin…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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