The Cruise

Selbstentworfenes Tagbild. Nichts offizielles...
Selbstentworfenes Tagbild. Nichts offizielles…

Willkommen auf der „Princess Of Wales“

Eine romantische Kreuzfahrt auf dem größten und luxuriösesten Kreuzfahrtschiff der Welt wird zum Horrortrip. In der ersten Nacht verschwinden mehr als 4.000 Menschen spurlos von Bord, Stahlwände versperren plötzlich den Zugang zu einigen Bereichen des Schiffes. Für die übrig gebliebenen Passagiere und Crewmitglieder beginnt ein Kampf um Leben und Tod.

TrennstrichDas liest sich schonmal ganz gut, doch da es sich um ein Radiohörspiel vom Westdeutschen Rundfunk – kurz WDR – ausgestrahlt über seinen hippsten Sender – namens 1LIVE – handelt, hatte ich so meine Bedenken das es auch so umgesetzt wurde, wie der marktschreierische Waschzettel es verspricht.

Also den Download des ersten Teils der vierteiligen Story abgewartet, das Tablet mit dem Ding bestückt und… sich gewundert bis zum Sanktnimmerleinstag.

Es kracht und actioned gewaltig, während sich selbst Ottonichthörspielhörer bekannte Hollywoodsynchronstimmen gegenseitig die Klinke in die Hand geben. Hollywoodohrenkino im öffentlich-rechtlichen Radio – es verschlug mir die Sprache.

Zwar gab sich Volker Brandt, in der Rolle des „Professor Carl Anders Erikson“, redlich alle Mühe noch gekünstelter und abgelesener zu agieren, als er es schon in den „Pater Brown“-Hörspielen des verblichenen Hörspiellabels Maritim getan hatte, doch verschwand der Charakter bereits im ersten Teil schnell und spurlos von der Bildfläche, was mich hoffen lies.

Bereits in Teil Eins legte man die Messlatte für eine solche Produktion recht hoch an und schaffte es sogar diese in Teil Zwei und Teil Drei locker zu überspringen. Die Spannung wurde kontinuierlich auf hohem Niveau gehalten und man tappte, selbst mit Hinweisen ohne Ende, als Zuhörer genau so im Dunklen der Geschehnisse, wie die Protagonisten.

Die Story von Edgar Linscheid und Stuart Kummer bietet alles was ein gutes Hörspiel nur ausmachen kann: Verschwörungstheorieideen, Horroransätze, Science-Fiction-Möglichkeiten oder ganz normale Thrillerelemente. Alles wird verarbeitet und alles ist als Auflösung des ganzen, atemlosen, Katz- und Maus-Spiels möglich. Die teilweise Härte der Geschichte und die darin verwendete Sprache rechtfertigte die Ausstrahlung nach 23 Uhr definitiv.

Nach drei Stunden Hörspiel kam dann endlich der vierte Teil und die heiß ersehnte Auf- und Erlösung aus dem spannungsgeladenen Kabinettstückchen. Doch bereits nach knapp fünfundzwanzig Minuten begannen sich meine Eingeweide konvulsivisch zusammen zu krampfen und ich befürchtete, das man mit der Erklärung der ganzen Geschehnisse alles bisher so positiv Aufgebaute würde über Bord werfen wollen.

Der Charakter von Volker Brandt – wir erinnern uns an „ Professor Carl Anders Erikson“ – taucht wieder auf und hat die Möglichkeit seinem Sprecher die Gelegenheit zu geben sich erneut darin zu beweisen, das er in einem Hörspiel nicht spielt, sondern beweist das er in der Lage ist vollkommen unmotiviert seinen Text abzulesen.

Und auch wenn sich unter der Regie von Stuart Kummer Brandts Kollegen: Linda Werlinder als „Linda Erikson“, Tobias Meister als „Thomas Jefferson Cleary / David Harland“, Gerrit Schmidt Foß als „Joshua Ismael Cohen“, Asad Schwarz als „Marcus Benjamin Langhorne, genannt Rusty“, Hans Werner Olm als „John Bounty, Jan Odle als „Christian Fletcher“, Olaf Reichmann als „Aleksei Potjomkin“, Patrick Bach als „Lloyd Nelson“ und Anna Fischer als „Rebecca Tereisias, genannt Becky“ alle nur erdenkliche Mühe geben das unvermeidliche Abschluss-Geschichtenkonstruktions-Armageddon zumindest noch qualitativ abzuwenden – es gelingt ihnen nicht. Wen diese Menschen alles synchronisieren, kann man mit spielender Leichtigkeit über eine googelige Aktion herausfinden – denn das würde hier zu weit gehen.

Die Geschichte endet so, wie sie es definitiv nicht verdient hat – als Radiohörspiel. Das Ende ist zwar offen wie ein Scheunentor, doch besteht zu befürchten, das niemand nochmals einen Fuß in die Scheune namens „Princess of Wales“ setzen wird, um allem einen wirklichen Abschluss zu spendieren.

Wieso man sich zu solch einem Ende entschlossen hat verschließt sich mir komplett und der darin enthaltene Sinn kann eigentlich nur eine Fortsetzung sein. Doch geht es hier um eine öffentlich-rechtliche Radioproduktion und da ist alles möglich, selbst der Umstand das dies alles so unharmonisch endend geplant gewesen war, ohne den Hintergedanken einer Fortsetzung, jedoch mit dem Ansatz Coitus-Interruptus-Hörspielkunst zu zelebrieren.

Das anhören lohnt sich dennoch, auch wenn es mit (Ab)Schrecken endet…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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