Wie man unsterblich wird

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Sam ist krank und weiß, wie es um ihn steht. Aber er verzweifelt nicht, sondern beschließt, die Zeit zu nutzen: Er stellt Fragen, die er früher nicht gestellt hat. Wieso Gott Kinder krank werden lässt zum Beispiel. Oder ob die Welt noch da sein wird, wenn es ihn vielleicht nicht mehr gibt. Die erstaunlichen Antworten, die Sam findet, seine Erkenntnisse über sich und die Welt, schreibt er in sein Tagebuch. Darin hält er auch die Wünsche fest, die er noch hat: ein Mädchen küssen, ein berühmter Forscher werden, einen Weltrekord aufstellen oder in einem Luftschiff fahren.

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Sam begegnet dem Zuhörer mit einer sehr positiven Stimme und fröhlicher Art des Erzählens. Er berichtet über sich selbst und mitten in die fröhliche Musik und den fast schon plauderartigem Ton erklärt Sam, mit fröhlicher Stimme, das er Leukämie habe und wenn man das hier „lesen“ würde wäre er wahrscheinlich bereits tot.

Das ist der erste Schlag in die Gegend des Magens welche man emotional hinhalten muss wenn es um das Thema Tod geht. Doch hier geht es nicht nur um den Tod im groben, hier geht es um den absehbaren Tod eines Kindes das sich seiner Krankheit und des Umstandes bewusst ist das seine Zeit auf diesem Planeten nur noch sehr begrenzt ist.

Das Hörspiel handelt das Thema Tod auf vielfältige Weise ab und versucht den Ansatz einer Darstellung zu liefern wie man sich auf den kommenden Tod vorbereiten kann. Sam beschäftigt sich, zum Beispiel, ausgiebig mit dem Thema „Nahtoderfahrung“, lernt aus allem was ihm begegnet ein kleines bisschen mehr und beginnt sich mit dem Tod als Umstand sogar so etwas wie anzufreunden.

Man kann niemandem in den Kopf sehen, doch wird es hier versucht. Alle Protagonisten leben ihre Emotionen akustisch aus und man kann aus der aggressiven Reaktion des Vaters, auf die Frage des normalen Schulbesuches, die Sorge um seinen Sohn ableiten, den Schmerz welchen er in der Situation erfährt spüren und sich in diesen Charakter, wie fast jeden anderen auch, hinein versetzen.

Auch die philosophischen Gespräche zwischen Sam und seinem Freund Felix sind mehr als unterhaltend. Darf man das so sagen? Unterhaltend? Wenn es um den Tod eines Kindes geht? Ich denke man darf. Die Diskussionen ob man nur krank ist weil man in einem vorigen Leben Mist gebaut hat und ein schlechter Mensch war und somit das Karma gereinigt werden muss, oder ob es Gott egal ist wenn man stirbt da man ja eh zu ihm in den Himmel kommt und er einen dann sowieso trifft, konnte ich nachvollziehen und diese Überlegungen waren mir auch nicht wirklich fremd.

Die Sprecher sind alles sehr gefühlvoll für ihre Rollen ausgewählt worden. Als sich mir im Booklet der Name Hella von Sinnen präsentierte, musste ich schlucken denn ich konnte mir nicht vorstellen das Frau von Sinnen in solch einem akustischem Umfeld eine leisen Ton würde anschlagen können. Die Rolle, welche sie auslebt, ist wie für sie geschrieben. Als recht durchgeknallte Krankenschwester kann sie überzeugen. Der Sprecher des „Sam“ macht seine Sache mit Bravour. Kai Hogenacker versteht es gekonnt dem Charakter ein spielerische Leichtigkeit zu verleihe und das obwohl er sicher nicht älter ist als die Rolle selbst. Patrick Mölleken, als „Felix, ist ein guter Gegenpart und belebt den etwas burschikoseren Jungen ebenfalls mit viel Sinn fürs gekonnte Spiel. Kein Ausrutscher bei den Sprechern ist vorhanden und jeder belebt seinen Charakter so real wie möglich.

Die Musik ist einfach phantastisch. Sie ist zu keiner Zeit kitschig oder zuckerig verklebt. Man wird das komplette Hörspiel über von fröhlicher Musik begleitet, welche selbst ganz zum Schluss noch irgendwie lebendig ist und auch etwa wie Schutz und Trost für den Zuhörer anbietet. Die Geräuschkulisse ist zu jeder Zeit realistisch und passt sich den Szenen an. Ab und zu müssen einfach Vögel im Hintergrund zwitschern um die unterschwellige Brutalität der dargestellten Realität ein wenig zu brechen.

Sich auf diese Geschichte einzulassen und in sie hinein fallen zu lassen ist ein Wagnis. Ich habe mich getraut und wurde von diversen Gefühlswogen regelrecht übermannt. Sicher ist das für jeden Hörer subjektiv, aber wenn man vielleicht selbst nicht mehr so ganz gesund ist und der Tod ab und zu über die Schulter linst, so kann man vieles nachvollziehen und auch über einiges Lachen, denn das darf man hier – es ist erwünscht.

Das Leben kann beschissen sein und viele Leute jammern, auf übersättigtem Niveau, über Dinge die nicht wirklich wichtig und relevant sind. Diesen Leuten sei dieses Hörspiel empfohlen, einen offenen Kopf beim hören nahe gelegt und die Einsicht beschert das sie nicht, und hoffentlich niemals, der Hauptdarsteller der Geschichte sein müssen…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert
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