01 – Grausame Städte

Edgar-Allan-Poes-Phantastische-Bibliothek-01

Wenn das Licht des Tages stirbt und sich das Totenhemd der Nacht auf Pflastersteine und Asphaltstraßen herabsenkt, geht ein Raunen durch alte Ziegelmauern. Es ist die Zeit des Zwielichts, in welcher die Gebäude im Mondlicht zu träumen beginnen…

Die schiefen Palazzi von Venedig flüstern einander längst vergessene Geheimnisse zu. In den verfallenen Häuserblocks von Berlin ertönt ein Wispern. Beide Städte erzählen dem Leser unheimliche Geschichten. Grotesk, bizarr, durchwoben von Schmerz und Angst…

Sprecher: Thomas Franke

Inszenierte Lesung, 1 MP3-CD, Spielzeit: 246 Minuten

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Wo Poe drauf steht muss nicht immer Poe drin sein, doch es geht auch so in der Art. Für diese erste Kurzgeschichtenanthologie, deren Namens- und Richtungsgeber niemand geringeres als Altmeister Edgar Allan Poe ist, zeichnet Autor Markus K. Korb verantwortlich. Der Autor verfasst sei 1981 Kurzgeschichten welche sich sehr stark an seinem schriftstellerischem Vorbild Poe und den Geschichten der frühen Gruselliteratur orientieren.

Da Hörbuch ist in zwei Unterkategorien aufgespalten welche sich jede mit einer einzelnen Stadt beschäftigt. Die erste Kategorie erzählt vier Geschichten aus Venedig, während sich die zweite Kategorie mit vier Geschichten aus Berlin beschäftigt.

Gerade eine Stadt wie Venedig bietet mit ihrer latenten Untergangsstimmung, durch das langsame versinken im Wasser, einen überaus geeigneten Schauplatz für Storys welche sich mit dem nicht ganz so natürlichen Grauen beschäftigen. Doch auch Berlin hat genügend Orte zu bieten die sich mit recht subtilem Horror füllen und ausleben lassen. So kann man dann die Katakomben von Berlin genau so erleben wie die tiefen Kellergewölbe der Lagunenstadt.

Die Protagonisten der Kurzgeschichten sind zum einen Menschen wie Du und Ich welche durch die Ereignisse denen sie ausgesetzt sind in ihrem Seelenheil erschüttert und auch psychisch vernichtet werden. Zum anderen befasst sich Korb mit schon psychisch kranken Personen und lebt deren Gedankenwelt aus. Alles ist sehr eindringlich geschildert und reicht an die unterschwelligen Horrorszenarien des namensgebenden Altmeisters teilweise sogar ein wenig heran. Auch wenn die Qualität der Story ab und an recht schwankend ist und nicht jede Geschichte so mitreißt wie die vorhergegangene, so sind die Standards doch durchgehen recht hoch und anspruchsvoll.

Thomas Franke, bekannt durch ein paar Hörspielauftritte wie zum Beispiel als Gegenspieler der „Detektei Bates“, hat sich den Geschichten akustisch angenommen und interpretiert sie auf seine eigene Art und Weise. Er schlüpft zuerst in die Rolle des „Edgar Allan Poe“ und begrüßt den Zuhörer mit einem Lebenslauf des Schriftstellers. Doch danach erlebt man ihn in den Geschichten als die Hauptfiguren selbst und den begleitenden Erzähler, welche Rollen er gut und glaubwürdig belebt. Viel ausartendes Spiel sollte man jedoch nicht erwarten, denn er variiert seine Stimmlage nur recht begrenzt und versucht nicht die einzelnen Charaktere durch überzogenen Stimmverrenkungen lebendig werden zu lassen. Ein wenig Unterstützung erhält er durch recht sporadisch eingestreute Soundeffekte und hier und da erklingende Orgelmusik. Die Atmosphäre wird dadurch nicht wirklich verstärkt sondern nur ein wenig aufgelockert, denn das meiste an Stimmung erzeugt Franke durch seine Lesung.

Recht gothisch anmutender Grusel mit einem Sprecher welcher die Stimmung der Romanvorlage verstanden hat und sie recht atmosphärisch umsetzt…Soundsystem-BLAU

 

Thomas Rippert