Christoph Zachariae (15.02.2019)

Thomas Rippert: Hallo Christoph, zuerst einmal vielen Dank, dass Du dir die Zeit nimmst mir ein paar Fragen zu beantworten.

Als erstes der Klassiker: Wie bist Du zum Schreiben gekommen?

Christoph Zachariae: Ich hatte einen guten Religionslehrer, der uns im Unterricht die Aufgabe gegeben hat, Kurzgeschichten zu schreiben und einen guten Deutschlehrer, der uns interessante Kurzgeschichten analysieren ließ. Unter anderem eine Geschichte mit zwei Soldaten in einem Kriegsgebiet, die erste Hälfte aus der Perspektive des einen, die zweite Hälfte aus der Perspektive des anderen. Die Geschichte hat mich sehr beeindruckt, da man durch die Perspektiven die Gedanken beider Männer kennengelernt hat und keinen der beiden verurteilen oder verdammen konnte. Die Perspektiven haben mich schwer beeindruckt und heute versuche ich sie genauso effektiv in meinen Geschichten einzubauen.

Thomas Rippert: Nun kommt man ja nicht aus einer Frühlingslaune auf die Idee Autor zu werden. Was war bei dir die Initialzündung?

Christoph Zachariae: Das ging schrittweise. Die Texte wurden immer länger und die Vorhaben immer umfangreicher. Ich fing mit Kurzgeschichten an, habe dann Kurzfilmdrehbücher geschrieben, dann Langfilmdrehbücher. Über meine Kontakte zu Produktionsfirmen habe ich Ivar Leon Menger kennengelernt und für DARKSIDE PARK die ersten längeren Prosatexte geschrieben. Daraus entstand die Idee einer eigenen Geschichte, die dann zur Roman-Reihe ÖDLAND wurde.

Also die Initialzündung war tatsächlich erst ÖDLAND. Vorher hätte ich mich noch nicht als Autor bezeichnet.

Thomas Rippert: Womit wir beim Thema wären: Wieso eine Dystopie und nicht ein allseits beliebter Thriller oder massentauglicher Horror?

Christoph Zachariae: Ich liebe das Endzeit-Genre. ÖDLAND hat dystopische Elemente, aber im Herzen ist es ein waschechter Endzeitroman.

Möglicherweise ist es die existenzialistische Ausgangssituation. Die Umgebung ist vollständig feindlich und so etwas wie eine Zivilgesellschaft existiert nicht mehr. Richtig dosiert ergeben sich viele Möglichkeiten Spannung zu erzeugen, sie anwachsen zu lassen und sie über einen längeren Zeitraum zu halten.

Ich mag keine Krimis. Krimis sind mir zu langweilig. Und Thriller müssen sehr gut konstruiert sein, damit sie spannend bleiben.

In einer Endzeitgeschichte weiß man nie was hinter der nächsten Ecke auf die Protagonistin wartete. Es bleibt immer überraschend und die Angst vor dem Unbekannten immer erhalten. Das mag ich sehr. Deshalb das weniger massentaugliche Genre.

Thomas Rippert: Nun gestehe ich, dass ich Endzeit und Dystopie über einen Kamm ziehe. Wie auch immer…

Warum eine weibliche Protagonistin? War das Zufall, oder ist das eher der Joss-Whedonschen-Maxime „Ich erschaffe so lange starke, weibliche Hauptcharaktere, bis keiner mehr fragt warum ich das mache!“ geschuldet?

Christoph Zachariae: 😀 Joss Whedon ist auf jeden Fall cool. Würde ich unterschreiben, aber ich hatte noch andere Gründe.

Ich wusste sehr früh, dass ich eine vollständige Heldenreise erzählen will. Mega sollte alles passieren, was einer Frau im Ödland passieren kann. Sie sollte Leben nehmen und Leben geben.

Dieser zweite Teil, ist der Teil der Heldenreise den Männer nicht erleben werden. Sie können dabei sein, aber sie werden nie erfahren, wie es ist ein Kind zu bekommen. Mir hat der Gedanke gefallen eine vollständige, weibliche Heldenreise zu erzählen, eine Heldinnenreise.

Mega reagiert emotional und ist dadurch verletzlicher, als es möglicherweise Männer in ähnlichen Situationen wären.

Besonders im fünften Buch ist sie instabil und gefährdet und bietet hohes Identifikationspotential. Wir fiebern mit und hoffen, dass sie durchhält.

Thomas Rippert: Nun legen es ja viele Autoren gerne auf eine Endlossaga an, mit der man über Jahre hinweg viel Schotter machen kann – so es sich den verkauft.

Ödland ist auf fünf Bände angelegt. War das der ursprünglich Plan oder ist das erst auf der Reise entschieden worden?

Christoph Zachariae: Ursprünglich wollte ich nur ein Buch schreiben. Es sollte ‚Reise nach Viktoriastadt‘ heißen, aber schnell wurde klar, dass ich das, was ich mir vorgenommen hatte, nicht in einem Band erzählen konnte.

Lange waren vier Bücher geplant, aber die Ereignisse in Viktoriastadt passten nicht in ein Buch und so wurden es auf dem Weg eben fünf Bände.

Eine seltsame Zahl, aber wer die Geschichte kennt, weiß, dass es sich eigentlich um drei Abschnitte handelt. Band I und II bilden den Auftakt der Reise. Band III das Zwischenspiel im Gefolge der Söldner. Band IV und V dann den Höhepunkt in Viktoriastadt und den Schluss der Reihe, den ich hier noch nicht verraten will.

Thomas Rippert: Man sieht auf den Buchrücken das Gesicht von Mega. Als Grafiker weiß ich, dass so etwas schon recht genau angelegt werden muss. War dir von vorne herein schon klar das Buch Eins 239, Buch 2 308 und z. B. 458 Seiten haben würde?  Blöde Frage eigentlich, interessiert mich aber!

Christoph Zachariae: Der Trick ist, dass wir erst nach dem Erscheinen des dritten E-Books mit der Gestaltung der Taschenbücher angefangen haben. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir genau wie dick die Taschenbücher werden. Auge und Stern sind genau auf die Kante zwischen Buch 2 und 3 gelegt worden und nach rechts hat der Grafiker genug Platz im Bild gelassen, dass wir Luft für weitere Bücher hatten. Es konnte also nichts schief gehen. Auf dem Rücken des fünften Bandes werden hauptsächlich Megas Dreadlocks zu sehen sein.

Thomas Rippert: Was steht für das Leben Post-Mega an?

Christoph Zachariae: Ich gönne mir eine kleine Auszeit und werde mit meiner Freundin Norwegen erkunden. Wie ich mich kenne, werde ich es aber nicht lange ohne meine Tastatur aushalten. Ich habe Ideen für eine ganze Reihe von Romanen, von Mittelalter bis Gegenwart ist alles dabei, könnte mir aber auch vorstellen zur Abwechslung nochmal ein Drehbuch zu schreiben.

Ich werde ÖDLAND aber nicht vernachlässigen. Ich plane eine überarbeitete Gesamtausgabe mit Figuren-Almanach und deleted scenes.

Außerdem überlege ich sehr ernsthaft an einem Spin-off zur ÖDLAND-Reihe zu arbeiten, zwanzig Jahre später. Möglich wäre es und Lust habe ich auch.

Thomas Rippert: Dann danke ich dir für die ausführlichen Antworten und bin gespannt wie es mit Mega endet!

Christoph Zachariae: Vielen Dank für das Interview und hoffentlich weiterhin spannende Unterhaltung in den Bänden IV + V. Ich bin übrigens auf der Leipziger Buchmesse, falls jemand da ist und Lust hat vorbeizukommen: Halle 5, D308. Die ÖDLAND-Lesung gibt es Sonntag, 24.03. von 13:00 bis 13:30 Uhr.  

Thomas Rippert
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