Thomas Karg, Vanessa Kaiser, Thomas Lohwasser (26.06.2020)

Dystopien haben nach wie vor Hochkonjunktur. Auch wenn die einzige deutsche Heftromandystopie nach wie vor nur MADDRAX ist, so gibt es seit neustem auch eine Serie, die ihm, meines Erachtens nach, so langsam den Rang abläuft. Ich rede von „Die Erben Abaddons“. Sie erscheint im Verlag Torsten Low und wird verfasst vom Autoren-Trio Thomas Karg, Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser. Und so wirklich Heftroman ist sie eigentlich auch wieder nicht.

Ich konnte die Drei zu einer Menage a Quatre bewegen, in der sie bereit waren mir ein paar Fragen zu beantworten.

Thomas Rippert: Hallo Thomas, Vanessa und Thomas. Verdammt viele Thomasse hier gerade! 😉

Da euch sicher noch nicht alle Leser von Lukes Meinung kennen, möchte ich euch bitten, euch einmal kurz vorzustellen und zu schildern wie ihr zum Verfassen von Romanen usw. gekommen seid.

Thomas Lohwasser: Hallo Thomas, vielen Dank für die Einladung!

Vanessa und ich sind schon sehr lange als festes Schreibduo unterwegs. Geschrieben haben wir jeder für sich eigentlich schon immer, an das Schreiben für Veröffentlichungen haben wir uns aber erst gemeinsam gewagt. Das war 2009. In diesem Jahr erschien auch unsere erste Kurzgeschichte und dieser folgten viele weitere, wobei unsere Genre-Heimat bisher besonders die düstere Phantastik war.

Vanessa Kaiser: Natürlich wuchs auch der uralte Wunsch in uns heran, unsere immer umfangreicheren gemeinsamen Ideen in Romanen umzusetzen – und wie der Zufall es so wollte, bekamen wir 2014 oder 2015, sicher wissen wir das Jahr nicht mehr, eine Einladung zu dem wundervollen Romanprojekt von Fabienne Siegmund. So starteten wir 2016 mit „Herbstlande“, einer Phantastikwelt, die wir im Team mit Fabienne Siegmund und Stephanie Kempin erschufen, in die unendlichen Gefilde der Romane.

Thomas Karg: Schließlich kreuzten sich ihre Wege mit dem meinen. Ich schreibe gern Düsteres, Dunkles und Böses, weshalb es nicht verwunderlich war, dass wir uns 2013 über eine Ausschreibung zu einer Anthologie namens „Dunkle Stunden“ kennenlernten. Die beiden waren dort Herausgeber, und ich reichte eine meiner Geschichten ein, die es dann auch in das gedruckte Buch schaffte. In der Folge veröffentlichte ich weitere Kurzgeschichten in unterschiedlichen Verlagen und 2017 sogar meine erste eigene Sammlung „Fest der Geier und andere verstörende Geschichten“, die ausschließlich Storys ab 18 enthält. Da wir schon von Beginn an einen guten Draht zueinander hatten, beschlossen wir schließlich, gemeinsame Projekte zu starten. Wir begannen mit einer Kurzgeschichte sowie einer Novelle. Nachdem wir bemerkten, dass es bei uns harmoniert, kam die Idee für eine Romanreihe mit dem Namen „Die Erben Abaddons“, aufgrund derer wir heute hier sitzen dürfen, um von dir interviewt zu werden. 🙂

Thomas Rippert: Ihr seid also keine unbeschriebenen Blätter, was das Autorenleben angeht.

Wieso gerade eine Dystopie und wieso mit ohne Zombies? 😀 Gerade die sichern doch ziemlich oft einen guten Verkauf.

Vanessa Kaiser: Wir mögen aus unserer Autorensicht grundsätzlich die Beschäftigung mit der Frage „Was wäre, wenn …“. Da wir außerdem besonders gern düstere Geschichten schreiben, fügte sich beides für uns recht klar zu dem Wunsch zusammen, eine Dystopie zu schreiben. Thomas Lohwasser – Tommy – hatte die Basisidee für die Reihe und hat Thomas Karg – Tom – und mich ins Boot geholt.

Was die Zombies angeht … unsere Geschichten spielen nicht direkt in der Endzeit, sondern einhundertfünfzig Jahre nach dem Untergang der Zivilisation. Da beschäftigen uns eher Fragen wie: Was ist aus den wenigen Überlebenden und ihren Nachfahren geworden? Haben sie sich verändert, haben sie sich wirklich weiterentwickelt oder bleiben manche Dinge einfach immer gleich?

Thomas Lohwasser: Zombies gibt es für unseren Geschmack bereits ausreichend in der heutigen Popkultur. Das reizt uns momentan einfach nicht – wir interessieren uns in unserer Dystopie nicht für Übernatürliches oder Unerklärliches wie z.B. Zombies. Unser Anliegen bei „Die Erben Abaddons“ ist es, eine Zukunft zu erschaffen, die für den Leser vorstellbar ist. Die realistisch wirkt. Dass der Leser das Gefühl bekommt: „Ja, so könnte es wirklich werden.“

Dabei haben wir uns außerdem für einen zusätzlichen „Was wäre, wenn …“ Schritt entschieden: Wir sind für unsere Reihe in die Zukunft nach der Zukunft gesprungen. Das heißt, dass die Apokalypse in unserem Setting von heute ab gerechnet auch erst in etwa einhundertfünfzig Jahren stattfindet, also in den 2150er Jahren. Und von da aus haben wir noch rund hundertfünfzig Jahre verstreichen lassen, bevor wir mit unseren Geschichten in 2303 beginnen.

Thomas Karg: Ich mochte Zombies eigentlich nie besonders … Ja, okay, ich habe mal eine Zombiegeschichte für die Anthologie zur „Zombie Zone Germany“ geschrieben. Aber auch in dieser Geschichte geht es mehr um die Interaktionen zwischen den Menschen als um die Zombies als solche. Mich reizt es viel mehr, Romane zu schreiben, in denen der Untergang unserer bekannten Welt durch realistischere Gefahren wie Kriege, Ressourcenknappheit oder Pandemien hervorgerufen wird. Aber auch eine Apokalypse als solche fanden wir weit weniger spannend als Geschichten, die das „Danach“ behandeln. Daher haben wir uns für das Thema Postapokalypse entschieden.

Thomas Rippert: Nun schreibt ihr ja als Autorentrio. Man merkt dem Stil der Geschichten aber definitiv nicht an, dass dort drei verschiedene Schreiber am Werk sind.

Wie bekommt ihr es hin, alles wie aus einer Feder wirken zu lassen?

Vanessa Kaiser: Ich antworte mal für uns drei gemeinsam.

Es freut uns, dass man nicht bemerkt, dass wir zu dritt am Text zugange sind. In der Tat arbeiten wir sehr eng zusammen und geben uns die Texte immer wieder hin und her, bis wir alle damit zufrieden sind.

Thomas Rippert: Nun gibt es ja mittlerweile Dystopien wie Sand am Meer. Nicht das ich mich darüber beschweren würde.

Gibt es Einflüsse von anderen Autoren, im Bereich der Dystopie, die ihr in die Serie einfließen lasst?

Thomas Karg: Ich glaube, ich bin zum ersten Mal mit dem Thema Dystopie in Berührung gekommen, als ich die Zeitmaschine von H. G. Wells gelesen habe. Womöglich kommt daher auch mein grundsätzliches Interesse dafür. Aber für unsere Reihe ist die größte Inspiration schlichtweg die Realität und das bereits erwähnte Spiel „was wäre wenn…“

Thomas Lohwasser: So ist es. Wir gewinnen unsere Ideen hauptsächlich im Hier und Jetzt, aber auch in der Vergangenheit der Menschheit. Wir nehmen in und mit unserer Reihe Bezug auf Themen, die die Menschen seit jeher beschäftigt haben und dies vermutlich auch weiterhin tun werden, wie zum Beispiel die Kluft zwischen Arm und Reich, Liebe, Hass, Überlebenskampf, Glaube und Religion, aber auch auf Aktuelles wie Klimawandel, die Brisanz von technologischem Fortschritt oder globale Pandemien.

Vanessa Kaiser: Ich mag Dystopien (auch wenn sie mich oft genug das Fürchten lehren), weil sie meinem immerzu mit Zukunftsgedanken spielenden Geist entgegenkommen. Mein erster bewusster Kontakt mit Dystopien war damals in der Schule – übrigens gemeinsam mit Thomas Lohwasser, da wir wahrhaftig in denselben Kursen gesessen haben (lach). Dort haben wir die „Animal Farm“ von George Orwell und später noch „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley durchgenommen. Beide haben mich sehr berührt, jedoch schließe ich mich voll und ganz den obigen Aussagen der beiden Thomasse an – wir haben ausreichend Inspirationsquellen direkt um uns herum. Gepaart mit unserer Neugier für die zukünftigen Entwicklungen entsteht daraus eben das Ideengarn für „Die Erben Abaddons“.

Thomas Rippert: Nun haben ja die beiden bisher erschienen Romane jeweils andere Protagonisten. Wird das so bleiben, also in jedem Roman eine neue Ecke der Welt ausgeleuchtet werden? Oder kehren altbekannte Figuren irgendwann für neue Abenteuer zurück?

Vanessa Kaiser: Es werden auf jeden Fall altbekannte Figuren zurückkehren. Wir bauen nach und nach eine zusammenhängende Welt auf, in der der Leser vieles wiedererkennen wird, nicht nur Figuren, sondern auch Orte.

Thomas Lohwasser: In Band 2 hatten wir bereits solche Überschneidungen. Eine bestimmte Nebenfigur taucht in beiden Bänden auf. Und der Ort, der in Band 2 Hauptschauplatz ist, wurde in Band 1 zumindest erwähnt.

In Band 3 stellen wir dem Leser nun zwar nochmals einen neuen Protagonisten vor, aber dann wird es bald ein Wiedersehen mit Nele und auch mit Wendy geben.

Thomas Rippert: Dann muss ich gestehen, ein löchriges Gedächtnis zu haben. 😀

Ihr habt beim VINCENT PREIS in der Kategorie „Roman national“ den dritten Platz belegt. Gratulation dazu!

Sind euch solche Dinge wichtig, oder seht ihr eher Bestätigung darin, wenn ein Leser eine positive Kritik schreibt, oder per Mail Rückmeldung gibt?

Zur Erklärung: Ich persönlich gehe nicht nach solchen Auszeichnungen, da sie nicht immer auch meinen „Geschmack“ treffen. So kann ich z.B. „Game of Thrones“ weder als TV-Serie, noch als „Das Lied von Eis und Feuer“ etwas abgewinnen, was viele nicht nachvollziehen können.

Thomas Lohwasser: Danke für Deine Gratulation! Preise, vor allem Publikumspreise wie der Vincent Preis, sind ja auch ein Indikator dafür, wie gut ein Buch bei der Leserschaft ankommt. Als Autor freut man sich immer über Lob für seine Arbeit, egal wie es aussieht. Ein Preis erhöht auch den Bekanntheitsgrad. Von daher sind uns solche Auszeichnungen schon wichtig.

Thomas Karg: Es ist immer schön, positive Rückmeldung zu den eigenen Geschichten zu bekommen. Denn das bedeutet, dass sich der Leser mit dem Geschriebenen auseinandergesetzt hat und dass es ihn in irgendeiner Weise berührt hat. Das ist schließlich einer der Hauptaspekte, warum wir überhaupt schreiben.

Preise sind für mich vor allem ein Ansporn noch mehr Tolles zu schaffen.

Vanessa Kaiser: Die Form, in der eine positive Rückmeldung uns erreicht, ist mir grundsätzlich nicht so wichtig. Ich freue mich über jede davon, ob private Lesermail oder Preis oder öffentliche positive Kritik. Wenn ich weiß, dass unsere Geschichten gemocht werden, macht mich das glücklich.

Thomas Rippert: Nun würde mich noch interessieren, wohin eure Reise geht. Ist Abaddon vorrangig gegenüber anderen Projekten, oder gibt es noch weiter Dinge, die man au eurer Feder erwarten kann?

Vanessa Kaiser: Ja und noch mal ja. Das bedeutet konkret, dass Abaddon momentan noch Vorrang gegenüber anderen Projekten hat, bis sich unsere Arbeitsweise weiter eingespielt hat. Trotzdem arbeiten wir im Hintergrund, wann immer wir die Zeit finden, auch noch an anderen Projekten, sei es im Bereich klassischere Phantastik – wie zum Beispiel „Herbstlande“ – oder auch im Bereich Horror.

Thomas Lohwasser: So schnell werden uns die Ideen dafür nicht ausgehen, wir haben Massen davon im Hinterkopf. Genau wie für die „Die Erben Abaddons“.

Außerdem haben wir zu dritt eine Horrorthriller-Novelle geschrieben, die bereits ein Zuhause in unserem Stammverlag gefunden hat. Wann sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird, hängt noch von ein paar internen Aspekten ab, aber sie wird kommen.

Thomas Karg: Richtig. Wir sind nebenher nicht untätig. Ich bastle derzeit an einer eigenen Kurzgeschichtensammlung, die ähnlich wie meine erste Sammlung „Fest der Geier“ im härteren Horrorbereich angesiedelt sein wird.

Vanessa und ich fungieren außerdem bei der Anthologie „Mysterien der See“ als Herausgeber, die im Verlag Torsten Low erscheinen soll. Darin wird es auch eine Kurzgeschichte vom altbewährten Team Lohwasser/Kaiser und eine von mir geben.

Und ansonsten haben wir auch langfristig Pläne, andere Romane zu schreiben. Vielleicht auch in Genres wie Thriller oder Mystery.

Thomas Rippert: Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Gut zu wissen, dass man von euch noch viel zu lesen bekommen wird.

Dann bedanke ich mich für die Zeit, die ihr euch für meine Fragen genommen habt und wünsche euch weiterhin viele gute Ideen!

Thomas Rippert
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