Markus Stengelin (25.05.2017)

Thomas Rippert: Hi Markus, ich brauche mal jemanden zum labern der in der (Hörspiel)Szene drin ist und nicht nur so an der Seitenlinie steht wie ich. In letzter Zeit häufen sich ein wenig die Schießereien diverser Kleinlabel gegeneinander und es gab sogar eine Aktion in der im Namen eines Labels Briefsendungen verschickt wurden, welche Fäkalien enthielten. Differenzen gab es ja immer – also zumindest so lange ich das seit 2002 beurteilen kann – aber es scheint mir das sich die Qualität der Auseinandersetzung ein wenig an Schärfe zugenommen haben. Inwiefern betrachtest Du diese momentane Entwicklung.

Wir kommen auch noch zum Medium an sich… keine Panik! 😀

Markus Stengelin: Ich halte mich aus solchen Diskussionen weitestgehend raus und finde solche Aktionen wie die Kotverschickerei sehr bedauerlich und einfach nur albern.

Ich nutze Hörspielforen zum Großteil nur zur Informationsbeschaffung und um ein wenig Werbung für hoerspielsachen.de zu machen.

Durch meine Beschäftigung mit Hörspielen und die regelmäßige Teilnahme an der Hörspielmesse HÖRMICH in Hannover konnte ich glücklicherweise schon einige Hörspielmacher persönlich kennenlernen. Und ich kann nur sagen: Das sind alles nette Leute. 🙂

Thomas Rippert: Verstehe. Zu besagter HÖRMICH wollte ich jetzt eh überleiten.

Ich war bisher nur auf der ersten HÖRMICH und versuche immer wieder mich dort mal blicken zu lassen, kann mich aber nicht so wirklich überwinden.

Wie wird die „Messe“ denn mittlerweile angenommen und wie ist der Zulauf?

Markus Stengelin: Die Zuschauerzahl hat von Messe zu Messe zugenommen, ebenso wie die Ausstellungsfläche, kein Vergleich mehr zur ersten HÖRMICH mit ein paar Verkaufssständen. Die Hörspiellabels haben die Kunsthalle zur Verfügung, Flohmarktverkäufer können ihre Stände im Hof aufbauen.

In der 60er-Jahre-Halle findet ein Veranstaltungsprogramm statt. Dieses Jahr werden etwa Heikedine Körting, Tommi Piper und Kerstin Draeger vor Ort sein. Außerdem wird es im Anschluss an die Messe ein DORIAN HUNTER Livehörspiel geben, an dem viele Sprecher der Hörspielserie beteiligt sind.

Und natürlich ist die Messe eine tolle Gelegenheit um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Ich kann nur jedem Hörspielbegeisterten empfehlen, sich das mal anzuschauen.

Thomas Rippert: Wie sieht es denn mit Neueinsteigern aus? Nützt die HÖRMICH auch als Botschafter in Richtung „Hörspiel ist mehr als Benjamin Blümchen!“ oder ist es eher eine geschlossene Gesellschaft?

Markus Stengelin: Das kann ich schwer beurteilen. Natürlich kommen viele Nerds und Kassettenkinder, aber ich habe immer auch Leute erlebt, die gerade mit dem Medium Hörspiel noch nicht so vertraut waren. Und wenn man mich nach Tipps gefragt hat, gerade zum Thema Hörspiel für Erwachsene, und ich die Leute dann zum Stand von Label XY geschickt habe, konnte es schon vorkommen, dass die dann mit einer dicken CD-Tüte wiederkamen.

Thomas Rippert: Hörspiele für Erwachsene…

Ich persönlich habe im Moment gerade den Eindruck, dass in der Branche mehr Wert darauf gelegt wird als vorher. Kann sich dieser Trend halten, oder wird er das sogar müssen, da die Hörspieler (wieder dieses schreckliche Wort) „veraltern“ und großer Nachwuchs in der Fanszene nicht mehr da ist?

Markus Stengelin: Nachwuchs ist in der Tat schwierig, und der Kindermarkt scheint ja fest in der Hand von EUROPA zu sein. Da hat man ja auch neue Serien auf den Markt gebracht, etwa „Die Punkies“ und „Die Fuchsbande“. Ich selbst höre kaum noch Kinderhörspiele, am ehesten noch die drei ???, denn da kann man als alter Sack von 41 Jahren immerhin sagen, dass man von Anfang an dabei war. 🙂

Es kommt in der Tat viel für Erwachsene raus, und das ist auch gut so, so lang es nicht die x-te Dämonenkillerserie, der hundertste Groschengrusel oder das tausendste von Lohnschreibern verbrochene Holmes-Pastiche ist.

Analog zum momentanen Boom von Fernseh- und Streamingserien kann man sagen:
Wo viel Neues erscheint, erscheint auch viel Gutes. Alles weitere wird der Markt regeln. Wenn es sich nicht verkauft, wird es halt wieder eingestellt. Als Hörspielfan hat man das in den letzten Jahren ja (leider) schon häufiger erlebt.

Sehr begrüßenswert finde ich zum Beispiel das Engagement von Audible. Die haben in den letzten Jahren, etwa mit „Monster 1983“, „Locke & Key“ oder „Macbeth“ ein paar tolle Sachen von tollen Leuten produzieren lassen.

Ich mag die Erzählweise und die Veröffentlichung kompletter Staffeln.

Das könnte ein guter Vermarktungsweg für Hörspiele werden und Audible eine Art Netflix für Hörspiele.


Thomas Rippert: Da gebe ich dir vollkommen Recht – eine komplette Staffel rockt und sicher den Zuhörer!

Und gerade was die ganzen Dämonekillergroschenheftgruseler angeht, so empfinde ich die Qualität immer mehr abnehmend. Einzig die „Gespenster-Krimi“ sehe ich als Referenz an, da sich der Rest nur noch mit Selbstlob bevorschusst (siehe Imaga) oder gar schröckliches in der Qualität abzugeben versteht (siehe z.B. Dreamland).

Siehst du noch für neue Produktionen/Label eine Chance, wenn sie nicht innovativere Wege gehen als die Altvorderen?

Markus Stengelin: Ich bin kein Marktforscher, aber es gibt ja durchaus Produktionen abseits des Mainstreams. Sei es nun Audible oder auch Lübbe Audio, die unter anderem Romane von Andreas Eschbach („Das Jesus Video“) vertonen lassen oder ganz aktuell eine hammermäßige Fassung von H. G. Wells´ „Krieg der Welten“.

Auch Reihen wie „MindNapping“ und „Mord in Serie“ gehen neue Wege und kommen mit jeweils über 20 erschienenen Folgen scheinbar ja auch gut an.

Und Sebastian Pobot von MARITIM bringt ja neben Klassikern auch immer wieder neue Formate auf den Markt. An dieser Stelle mal ein tausendfaches Dankeschön an Sebastian Pobot. Dafür, dass er die Fortsetzung der genialen Serie „Die schwarze Sonne“ von Günter Merlau möglich gemacht hat.
Und man darf natürlich auch nicht die diversen Hörbuchverlage (Der Hörverlag, Hörbuch Hamburg, Der Audio Verlag…) vergessen, die immer wieder lohnenswerte Radioproduktionen auf den Markt bringen.

Also: Genug Hörstoff für die nächsten Jahre, auch abseits von Holmes, Geisterjägern und Juniordetektiven.


Thomas Rippert: Ergo: Das Hörspiel ist tot, es lebe das Hörspiel?

Was würdest Du dir für die Zukunft persönlich wünschen? Welche Produktionen fehlen dir? Ein besserer Umgang miteinander?

Markus Stengelin: Das Hörspiel ist ganz sicher nicht tot. Allein mit dem, was mittlerweile auf diversen Streamingportalen angeboten wird, lassen sich locker mehrere Leben füllen. 🙂

Ich wünsche mir, dass weiterhin allerorten auf so hohem Niveau produziert wird. Und natürlich neben dem ganzen Endlosserienkram auch zukünftig außergewöhnliche Projekte von Leuten, die ihr Handwerk verstehen.

Was den Umgang untereinander angeht, wäre es natürlich schön wenn alle ein gutes Auskommen hätten. Allerdings würde ich die Streitigkeiten und Trollereien in Foren und auf Facebook auch nicht überbewerten. Da äußert sich glaube ich eh nur ein kleiner Teil der Hörerschaft. Und allen wird man es eh nie recht machen können.


Thomas Rippert: Dann danke ich dir für diesen kleinen Ausflug in die Gedankenwelt eines (jetzt kommts wieder) „Hörspielers! Noch ein paar letzte Worte?

Markus Stengelin: Seid lieb zueinander! Baut (und verschickt) keinen Scheiß! Hört Hörspiele! Und liked meinen Blog!
Danke, Thomas!