John Scalzis „Old Man´s War“

John Scalzis „Old Man´s War“

OLD MAN´S WAR
oder auch: KRIEG DER KLONE
oder: Warum deutsche Titelübersetzungen doof sind …

Viele SF-Leser höheren Alters kennen sicher die herausragende Arbeit von Robert Heinlein, bekannt als „Sternenkrieger“ (STARSHIP TROOPERS), mit der er 1959 nicht nur für innovative Aufruhr sorgte, sondern auch den Begriff der Miltary-SF festigte. Nach einer sehr langen Abstinenz vom geschriebenen Wort in Buchform, kehrte ich 2011 leserisch zur SF zurück, nachdem ich den Film zu besagten STARSHIP TROOPERS nochmals gesehen hatte.

Nach der recht anstrengenden Lektüre des Romans, ich hatte ihn viel flüssiger in Erinnerung als er sich mir hier nun erneut darbot, suchte ich nach etwas, das sich in der selben Liga abspielte. Der Autor Franjo Franjkovich riet mir, mich doch einmal mit dem KRIEG DER KLONE zu beschäftigen, da ihm dieser Roman sehr zugesagt habe.

John ScalziErstmal war mir der Begriff „John Scalzi“ gar keiner und die Bezeichnung KRIEG DER KLONE war mir seit den weiteren neuzeitlichen Verhunzungen der STAR WARS-SAGA doch recht vergällt – welches sich nach näherem Studium der 3D-Trickserie mittlerweile gelegt hat. Auch las sich der Waschzettel des Buches nicht wirklich innovativ… Pfeifeflöten, Herr Doktor – Vorurteile sind dumm!

Ein paar kurze Klicks bei Booklooker und das Buch gehörte mir. Als ich es bekam, war meine Überzeugung es genießen zu werden noch nicht da, doch tapfer stürzte ich mich auf die ersten Seiten, bekam einen Wie-Genial-Ist-Das-Denn-Bitte-Flash und verschlang das Buch innerhalb weniger Tage, denn der alte Mann liest nicht mehr so schnell wie früher.

Wer sich die OLD MAN´S WAR-Saga noch zu Gemüte führen will und den ersten Teil noch nicht gelesen hat, der sei hier gewarnt weiter zu lesen, denn ich werde sicher spoilern. Für die, welche keine Spoiler mögen, blenden wir ab hier nun Fahrstuhlmusik zur weiteren Unterhaltung ein.

Krieg der Klone von John ScalziDer Beginn von John Scalzis Zukunftsvision ist recht humorig gehalten, denn die Sichtweise des Hauptakteurs ist stets mit triefendem Sarkasmus und ätzendem Spott versehen. John Perry hatte sich, genau wie seine Frau Kathy, an ihrem jeweiligen fünfundsechzigsten Geburtstag freiwillig für den Militärdienst gemeldet. Dieser würde dann mit dem fünfundsiebzigsten Geburtstag angetreten werden müssen, insofern man sich nicht umentschieden hatte und nicht in den Streitkräften der KU (Koloniale Union), der KVA (Koloniale Verteidigungs Armee), Dienst tun wollte.

Die Menschheit hat sich vor vielen Jahrzehnten von der Erde in den Weltraum verlagert und dort viele neue Planeten kolonisiert. Doch sind die Menschen nicht alleine, und so müssen die Kolonien stets gegen nichtmenschliche Rassen verteidigt werden – denn das ganze Universum ist ein stetiges Katz und Maus-Spiel um bewohnbare Planeten wo der eine dem anderen die Kolonie unter dem Hintern weg bombt um den jeweiligen Planeten selbst zu besiedeln.

Die Erde ist durch die KU komplett von allem und jedem abgeschirmt und ihre Position im Weltall ist den nichtmenschlichen Rassen vollkommen unbekannt. Die neue Heimatwelt der Menschen heißt nun Phoenix, eine Welt die hochtechnisiert ist. Die Erde dient nur noch als eine Art Nachschublager für Kolonisten und Soldaten. Während die Kolonisten aus den armen Ländern der Erde rekrutiert werden, bezieht man die Soldaten aus den besser bestellten Staaten. Nachdem man die Erde verlassen hat, egal ob als Kolonist oder als Soldat, darf man sie für den Rest seines Lebens nie wieder betreten. Die KU lockt die Kolonisten mit dem Versprechen eines harten, aber besseren Lebens als auf der Erde und die Soldaten mit dem Versprechen sie wieder jung zu machen. So erklärt sich also auch das Rekrutierungsalter von fünfundsiebzig Jahren.

John Perry, der Hauptakteur von Buch 1 und 3 der Saga, hat an seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag auf der Erde nichts mehr was ihn halten würde. Seine Frau Kathy verstarb vor ein paar Jahren und zu seinem Sohn hat er ein recht gespanntes Verhältnis. So beschließt John also den Militärdienst im Weltall anzutreten und sich verjüngen zu lassen – wie auch immer dies geschehen mag.

Alleine schon der Weg, den man als Leser gemeinsam mit John Perry bis zur dieser Verjüngung zurück legt, ist kurzweilige Unterhaltung pur. Scalzi baut alles mit steigendem Humor auf und je mehr John Perry hinter die Kulissen blickt, desto witziger wird alles. Selbst als es dann, nach ca. der Hälfte des Buches, ans Eingemachte geht und die Kriege beginnen, ist der Humor immer noch mit dabei. Auch ist die Verjüngung/Klonung des Charakters ein Moment in dem man mitfiebert ob der Geist von Perry es schafft sich im neuen und modifizierten Körper (was der alles kann, sollten man sich selber erlesen) festzusetzen. Auch Perrys Abschied vom alten Ich ist sehr emotional in Szene gesetzt.

Die Sichtweise des OLD MAN auf sein vergangenes Leben und die daraus resultierenden Weisheiten, welche er als Soldat anwendet, kann man teilweise für sich selbst nachvollziehen oder gar auf sein eigenes späteres Verhalten übertragen, denn fast alles was John Perry macht ist nachvollziehbar.

Der erste Teil der Saga ist erfrischendes Popcornreading für die dunkleren Stunden des Tages, um sich ein wenig aufzuheitern. Auch wenn die Grundstimmung stets anderes zu gebieten scheint, so bleibt doch alles auf einem nervenverträglichen Niveau und ein Abrutschen in zu düstere Gefilde geschieht nicht.

Wer sich die weitere OLD MAN´S WAR-Saga noch zu Gemüte führen will und den zweiten Teil noch nicht gelesen hat, der sei hier gewarnt weiter zu lesen, denn ich werde sicher spoilern. Für die, welche keine Spoiler mögen, blenden wir ab hier nun Fahrstuhlmusik zur weiteren Unterhaltung ein.

E-Geisterbrigaden 4.inddNachdem John Perry nun seinen Dienst in der KVA aufgenommen hat, der Held war und auch den Klon seiner verstorbenen Frau kennenlernen konnte – welcher aber nicht viel mit seiner verstorbenen Frau gemein hat – widmet sich das zweite Buch einer Spezialeinheit der KVA, den Geisterbrigaden. Die Geisterbrigaden bestehen aus Klonen der DNA von Verstorbenen, die sich zwar zum Militärdienst gemeldet hatten, diesen aber nicht mehr zu Lebzeiten antreten konnten. Diese Klone werden mit einem „neuen““ Bewusstsein versehen und treten sofort den Dienst als Tötungsmaschine an. So bestehen die meisten Einheiten der Geisterbrigaden aus Kindern, in erwachsenen Körpern, die keinerlei Sozialisation und Umgangsformen kennen. Auch sind diese Kämpfer eine Rasse für sich, denn die „normalen“ Soldaten sind für sie nur langsame Anhängsel. Die Spezialeinheit agiert nur alleine und die Kommunikation beschränkt sich auf die „Brain Pals“, die Computer im Kopf der Klone, denn diese ist schneller und effektiver.

Als sich nun drei außerirdische Völker gegen die Koloniale Union verbünden, ist die Spezialeinheit gefragt. Man findet heraus das einer der führenden Wissenschaftler der Brain Pal-Technologie – Charles Boutin – abtrünnig wurde und Verrat an der KU begangen hat. Man findet das Bewusstsein von Boutin in einer Aufzeichnungsmatrix und versetzt es in einen frischen Klonkörper, welcher den Namen Jared Dirac erhält. Man versucht heraus zu finden was Boutin weiß und wie weit sein Verrat gegangen ist, doch stellt sich Jared als nicht wirklich große Informationsquelle heraus. So versucht man das Bewusstsein von Boutin in Jared zu aktivieren, doch der entwickelt eine eigene Persönlichkeit und wird zur tickenden Zeitbombe. Hier kommt der Klon von John Perrys toter Frau – namens Jane Sagan, denn Perry spielt hier keine Rolle – zum Einsatz. Jane soll Dirac überwachen und kontrollieren um den Angriff auf die Menschheit verhindern zu können.

GEISTERBRIGADEN ist vom Feeling des ersten Romans recht weit entfernt. Die Beschreibung der Kindersoldaten der Spezialeinheit und deren Seelenleben ist teilweise recht bedrückend und hat nicht viele Momente in denen Humor angebracht wäre und zum tragen kommen würde. Die Leichtigkeit eines John Perry ist verschwunden und tiefe Selbstfindungsgedanken prägen die meisten Seiten des Buches.

Doch lernt man hier auch die negative Seiten der KU kennen, welche im dritten Teil der Trilogie vollkommen zum tragen kommen werden. Durch die Erschaffung des Charakters Boutin verschafft Scalzi dem Leser einen Gegenpol zu den KUüberzeugten Soldaten. Es gibt viele Leichen im Keller der KU und es wird immer deutlicher das die Gutmeinung des einen, die Unterdrückung des anderen werden kann.

Trotz allen dunklen, tiefenpsycholgischem und negativen Dingen ist GEISTERBRIGADEN immer noch gut durchdachte Kurzweilunterhaltung.

Wer sich die weitere OLD MAN´S WAR-Saga noch zu Gemüte führen will und den dritten Teil noch nicht gelesen hat, der sei hier gewarnt weiter zu lesen, denn ich werde sicher spoilern. Für die, welche keine Spoiler mögen, blenden wir ab hier nun Fahrstuhlmusik zur weiteren Unterhaltung ein.

E-Die letzte Kolonie.inddIm letzten Teil der Saga bekommt der Leser wieder den alten John Perry vorgesetzt, diesmal jedoch jünger und nicht mehr grün – also in einem neuen Klonkörper der nicht für den Krieg modifiziert ist. Perry und Jane Sagan sind mittlerweile verheiratet und haben die Tochter von Charles Boutin – Zoe Boutin, dem Gegner aus dem letzten Buch – adoptiert. Sie leben friedlich auf der Kolonialwelt Huckleberry vor sich hin, auf der Perry den Job des Ombudsmann und Sagan den des Sheriffs übernommen hat. Zu Bewachung Zoe´s sind zwei Obin abgestellt, da die KU das Vorhaben von Boutin zu Ende geführt hat, den Obin ein Bewusstsein zu verschaffen – da dieses Volk künstlich evolutioniert wurde und sich nach Individualität sehnt.

Die Ruhe des Familienlebens hält jedoch nicht lange, denn Perry und Sagan sollen eine neue Kolonie verwalten, welche die KU zu gründen beabsichtigt. Wurden bisher die neuen Kolonien nur mit Menschen von der Erde bestückt, so soll sich jetzt die erste Kolonie behaupten, welche mit Kolonisten aus den 10 größten Kolonialwelten der KU bevölkert werden soll.

Das der Name der Kolonie ROANOKE ist, lässt einige der Beteiligten schlimmes befürchten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Roanoke_%28Kolonie%29) Und so kommt was kommen muss, „die letzte Kolonie“ muss sich gegen das Konklave, einen Zusammenschluss von über 400 raumfahrenden Alienvölkern, behaupten. Das Konklave verbietet seinen Nichtmitgliedern die Kolonisation neuer Welten, um den ewigen Krieg um neuen Lebensraum zwischen den Rassen zu beenden. Wer ist nun der Gute? Das Konklave? Die KU? Oder gar keiner?

Die „letzte Kolonie““ bildet den perfekten Abschluss einer Geschichte die so innovativ ist, das sie mich von den ersten 20 Seiten des ersten Buches an hat fesseln können. Auch wenn die „letzte Kolonie““ nicht mehr zum alten Humor vom „Krieg der Klone“ zurückkehrt und Perry nicht mehr ganz so der Gruppensarkastiker ist, so ist der Ton des Buches dennoch ein wenig leichter als noch bei den „Geisterbrigaden““.

Es endet hier, auch wenn die Geschichte von John, Jane und Zoe weiter geht. Doch ist dieses Ende zufriedenstellend und Autor John Scalzi bemerkt in den Danksagungen auch, das die Familie nun ihren eigenen Weg gehen wird, ohne das dieser vom Leser wird begleitet werden.

RZ_Zwischen der Planeten.inddDoch so ganz muss man dieses Universum nicht verlassen, denn im Buch „Zwischen den Planeten““ wird die Geschichte der „letzten Kolonie“ aus der Sicht von Zoe Boutin erzählt. Und auch wenn man alles schon miterlebt hat, so ist diese andere Sicht dennoch interessant, denn Zoe perfektioniert den Sarkasmus ihres Adoptivvaters.

Ebenfalls kehrte John Scalzi 2013 in sein OLD MAN´S War-Universum zurück, um dort die Kurzgeschichtensammlung „Die letzte Einheit“ zuerst als separate e-books und danach als gedrucktes Buch – in der Zusammenfassung aller Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Zwar schließen die Geschichte relativ nahtlos and „Die letzte Kolonie“ – respektive „Zwischen den Planeten“ – an und man bekommt hier und da bekanntes geboten, doch schaffen die Storys es nicht wirklich die erzählerische Dichte der Vorgängerbände zu erreichen.He_TB_Scalzi_Die Letzte Einheit.indd

Ebenfalls ist nach dem gescheiterten Filmprojekt eine TV-Serie über den OLD MAN´S War angedacht – wie man dem Selbstinterview auf John Scalzis Blog entnehmen kann.

Wer Abwechslung von ewig den selben, teilweise in sich selbst kopierten, Welten sucht, der ist hier richtig. Wer auch mal nicht nur in schwarz/weiß sehen will, der wird hier mit den Vorzügen und Nachteilen der verschiedensten Regierungsformen konfrontiert. Auch wenn Scalzi eine Menge Politik in seinen Büchern betreibt, so ist doch stets die Psyche der Personen und deren Umgang mit den Situationen der feindlichen Universumsumwelt im Vordergrund.

Eine Leseempfehlung für alle die gerne auch neuartiges konsumieren möchten!

 

© der Bilder:

Buchcover: Heyne Verlag
John Scalzi: The Guardian

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